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WEIMERS Woche: Überschuss Überdruss

Wolfram Weimer über die deutsche Einheit und eine linkende Partei

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In dieser Woche war ich beim Festakt zum Tag der deutschen Einheit. Gerhard Schröder schmunzelt, man summt die Nationalhymne, die schwedische Königin strahlt deutsch, Frankreichs Außenminister gratuliert. Alle sind entspannt. Nur die Linke nicht. Lothar Bisky zieht in einer Presseerklärung „kritisch Bilanz“ über „soziale Probleme, Desintegration und rechtsextreme Demagogen“.

Am Brandenburger Tor beobachte ich 500 000 Fröhliche beim Popkonzert zur Einheit. Fanmeilenstimmung, alle tanzen. Nur die Linke nicht. Ihre „Linkszeitung“ titelt: „Abbau Ost und wachsende Armut werfen Schatten auf Einheitsfest“.

Im Fernsehen sehe ich mit 10 Millionen anderen die „Frau vom Checkpoint Charlie“. Alle spüren Mitleid mit der Mutter, der das DDR-Regime die Kinder raubt. Nur die Linke nicht.

In der Oktober-Ausgabe von „Utopie-Kreativ“ schreibt ihre Rosa-Luxemburg-Stiftung: „Wer heute noch mehr Würdigung für die Opfer der SED-Diktatur wünscht, scheint sich der Tatsache nicht bewusst zu sein, dass eine Gedenkstättenpädagogik viel Überdruss erzeugt.“ Überdruss! So, so. Die Opfer stören die Täter.

Statt einer kritischen Aufarbeitung ihrer DDR-Vergangenheit kochen sie lieber Diktatur-Verniedlichungs-Süppchen mit einer Prise Ostalgie und kräftigen Portionen Polemik gegen Rechtsradikale (lenkt immer schön von eigener Schuld ab). Das wird dann unter dauerndem Eindreschen auf die Einheit, die Demokratie und ihre „sozialen Schieflagen“ umgerührt. Die ideologische Rezeptur für dieses Gebräu liefert die Luxemburg-Stiftung.

Deren Vorstandsvorsitzender ist übrigens ein Potsdamer Genosse: Heinz Vietze. 1989 war er der berüchtigte Mauerverteidiger und Bezirkschef der hiesigen SED – noch heute erzählen sich die Potsdamer, wie er bis zuletzt schießen und internieren wollte. Aber: Erinnern wir besser nicht daran. Sie wissen schon – der Überdruss.

Wolfram Weimer schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor ist Chefredakteur des Magazins „Cicero“ und lebt mit seiner Familie in Potsdam

Wolfram Weimer

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