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Will sein Unternehmen Wunderkind zurück haben: Wolfgang Joop.

© Manfred Thomas

Von Peter Tiede: Ultimatum für Joop

Investor Vedder gibt dem Designer bis zum 21. März Zeit, das Label Wunderkind zurückzukaufen

Stand:

Der Kampf um die Zukunft des Modelabels „Wunderkind“ des Potsdamer Designers Wolfgang Joop wird härter. So hat der Finanzinvestor Clemens Vedder, der die Mehrheit an der Joop-Firma übernommen hat, dem Modeschöpfer ein Ultimatum gesetzt: Wenn Joop seine Firma zurückhaben will, habe er noch bis zum 21. März Zeit. Bis dahin, so Vedder in einem Fax an Joop, müsse der Preis für den Rückkauf des 65-Prozent-Anteils überwiesen sein. Diesen hatte Vedder, vom Investoren- und Kunstsammlerpaar Gisa und Hans-Joachim Sander, Miterben des Kosmetikkonzerns Wella, übernommen. Joop besitzt ein Vorkaufsrecht und hat am vergangenen Freitag gegenüber den PNN angekündigt, die Anteile mithilfe anderer Investoren zurückkaufen zu wollen. In Vedders Fax heißt es nun: „Die Prüfung der rechtlichen und wirtschaftlichen Situation“ bei Wunderkind „werden wir in der Erwartung, dass der Kaufpreis den Eheleuten Sander bis zum 21. März 2011 zugegangen ist, vorübergehend aussetzen“.

Den PNN sagte Joop am Mittwoch, er habe Vedder lediglich den Erhalt des Faxes bestätigt. Er lasse sich nicht unnötig unter Druck setzen. Drei internationale Investoren seien in seiner engeren Wahl. Er sei zuversichtlich, dass er bis Mitte nächster Woche mit einem von ihnen handelseinig werde. Es handele sich sowohl um Interessenten mit einem Bezug zur Modeszene als auch um reine Finanzinvestoren.

Nach PNN-Informationen handelt es sich bei einer Interessentengruppe, mit der Joop in der Vorwoche verhandelt hat, um Investoren aus Südosteuropa, die der Modebranche nach Angaben aus Wunderkind-Kreisen, „eher fern stehen“. Nach ihren Verhandlungen in Potsdam sah sich die Gruppe auch in der Wunderkind-Boutique in der Berliner Tucholskystraße um. Das Verkaufspersonal habe verunsichert reagiert und in Potsdam nachgefragt, ob mit dem Einkaufsbummel der Gruppe im Laden alles seine Ordnung habe.

Gestern brach Joop zu Verhandlungen mit einem der Investoren auf – eine Privatmaschine holte ihn am frühen Nachmittag am Flughafen Tegel ab. Wohin diese Reise ging, wollte er unter Verweis auf die laufenden Gespräche nicht sagen.

Investor Vedder ist dagegen nach PNN-Informationen bereit, Wunderkind auch ohne Joop weiterzuführen. In Deutschland lasse sich die Marke mit Joop zwar zu einer wirklich großen entwickeln. Sollte Joop sich aber querstellen, werde die Marke auch ohne ihn entwickelt. International spiele der Name des Designers für Wunderkind keine Rolle. Der Streit um den Anspruch zieht sich durch die Auseinandersetzungen mit den Eheleuten Sander – Joops Nachbarn in der Berliner Vorstadt. Joop wollte Kunst, Sanders wollten in größerem Stil verkaufbare Mode und irgendwann Aussicht auf Rendite. In den Lagern in der Potsdamer Behlertstraße und in den Stores stapele sich unverkäufliche Ware. Joops Kollektionen, so einstige Mitstreiter, seien einfach zu teuer geraten und die Masse der Kleidungsstücke nicht alltagstauglich. Die Investoren hätten für Joops Mode-Kunst auf einen einträglichen Unterbau bestanden – Kollektionen unterhalb des totalen Luxus. Joop dagegen gehe es um L’art pour l’art – Kunst um der Kunst willen. Was dem Namenszusatz der Firma schon zu entnehmen war: „Wunderkind Art“.

Sanders haben bei Wunderkind insgesamt etwa 27 Millionen Euro investiert - zusammen mit den Investitionen Joops belief sich die Gessamtsumme auf etwa 60 Millionen Euro. Für ihre Firmenanteile und die Firmendarlehen haben sie nach Angaben von Vedder noch ganze 2,95 Millionen Euro erhalten. Der Jahresumsatz bei Wunderkind habe lediglich im mittleren einstelligen Millionenbereich gelegen; der Jahresverlust dagegen zwölf Millionen Euro – mehr als 30 000 Euro am Tag und mehr als 1350 Euro in der Stunde.

Sander sagte den PNN nun, er habe zwar „eine Menge Geld verloren“, sei aber „froh, dass Wolfgang sich entschieden hat, Wunderkind weiterzuführen“. Wie viel Erfolg er dem Modemacher mit neuen Investoren zutraut, sagt Sander nicht. Nur, dass man bei Wunderkind wohl sehr viel Geduld brauche. Joop bescheinigte er, ein „genialer Selbstvermarkter“ zu sein. Joops Partner Edwin Lemberg sei mit seiner „enormen Stilsicherheit“ der „Gralshüter von Wunderkind“.

Vor zwei Monaten war ein Versuch gescheitert, Wunderkind neu auszurichten und breiter aufzustellen. Die Firma sollte nach Berlin umziehen – auch um bei Joop und Lemberg Privat und Beruf zu trennen. Neue Kollektionen sollten erstellt werden. Joop aber hätte nur noch die Zeichnungen für die Kollektionen liefern sollen. Daraus hätte dann die Produktentwicklung auch straßentaugliche Mode entwickeln sollen. Zunächst habe Joop zugestimmt, dann aber einen Rückzieher gemacht. Da stiegen Sanders aus. Nun, so Sander, sei von Wunderkind nur noch die Marke vorhanden, „das Know-how, einige exzellente Mitarbeiter, Joops Erfahrungsschatz und ein sehr guter Ruf unter Modejournalisten“. Nach seinem Ausflug in die Modewelt resümiert Sander, der unter anderem an Matratzen-Outlets und einer Internationalen Pizzakette beteiligt ist und mit seiner Frau in Darmstadt ein Museum für moderne Kunst hat: „Wir haben bei Wunderkind die PS nicht auf die Straße bekommen – der Motor hat geheult bis alle Teile kaputt waren, aber wir sind nicht von der Stelle gekommen.“

Den Vorwurf, Geld verbrannt zu haben, lässt Joop nicht gelten. „Natürlich kostet die Entwicklung einer High-End-Marke Geld – das braucht Geduld, auch beim Investment.“ Er selbst habe auch sein Vermögen in die Firma investiert. Joop: „Wir mussten mit einem Bruchteil dessen auskommen, was bei anderen Designern die Markenentwicklung kostet.“ Als Sanders kein Kapital mehr nachschoben, wurde auch die Entwicklung einer neuen Kollektion gestoppt. Für Wunderkind wurde eine Auffanggesellschaft gegründet. Ohne frisches Kapital, so alle Beteiligten, sei Wunderkind am Ende.

Joop selbst glaubt an seine Zukunft mit Wunderkind: Im Herbst will er in Paris eine neue Kollektion präsentieren. Und: „Unsere neuen Investoren haben begriffen, dass es sich um High-End-Fashion handelt – den absoluten Luxus in Material und Verarbeitung.“

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