Von Henri Kramer: Umfrage für kommende „Verteilungskämpfe“ Studie „Jugendkultur in Potsdam“: Freizeitangebote fehlen, Schiffbauergasse beliebter als ihr Ruf
Eine knappe Mehrheit der jungen Potsdamer vermisst in ihrer Stadt Freizeitangebote. 57 Prozent fehlen Sport- und Abendveranstaltungen.
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Eine knappe Mehrheit der jungen Potsdamer vermisst in ihrer Stadt Freizeitangebote. 57 Prozent fehlen Sport- und Abendveranstaltungen. 28 Prozent sagen: Uns fehlt nichts. Und 15 Prozent wissen nicht, was ihnen fehlt. Das ist ein Ergebnis der neuen Studie „Jugendkultur in Potsdam“, die gestern vorgestellt wurde. Für die repräsentative Umfrage im Auftrag der Stadtwerke hat das Bielefelder Unternehmen Emnid, eines der größten Meinungsforschungsinstitute in Deutschland, 1000 Potsdamer im Alter von 14 bis 27 Jahren angerufen. Die Umfrage fand vom 2. Juni bis zum 6. Juli statt.
Die Ergebnisse sollen langfristig planen helfen. „Wir werden hier in Potsdam einen Verteilungskampf in verschiedenen Bereichen bekommen – dafür haben wir nun eine sachliche Grundlage“, sagte Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU), die die Themen der Umfrage gemeinsam mit den Stadtwerken erarbeitet hat. Angesichts knapper Kassen dürfe es keine Entscheidungen am Bedarf vorbei geben. „Ideal wäre es, solche Umfragen turnusgemäß zu wiederholen.“ 32 000 Euro haben die Stadtwerke laut ihrem Chef Peter Paffhausen für die Studie überwiesen: „Auch wir haben dadurch Erkenntnisse und sind glücklich damit.“
Jugendklubs wenig besucht
Die Umfrageergebnisse beim Thema Jugendkultur rütteln an Vorurteilen. So suchen junge Potsdamer öfter Kulturangebote in ihrer Heimatstadt auf als im benachbarten Berlin – im Schnitt liegt das Verhältnis bei 55,5 zu 40 Prozent. Auch die oft als totsaniert bespöttelte Schiffbauergasse scheint bei Jugendlichen beliebter als ihr Ruf. „Hier müssen wir unsere Meinung revidieren“, sagte Magdowski. Rund 75 Prozent der Befragten waren schon auf dem für 100 Millionen Euro sanierten Areal und würden es weiterempfehlen. Damit kommt das Gelände auf bessere Werte als das „Waschhaus“-Jugendhaus, in dem mehr als 80 Prozent schon waren und das knapp 70 Prozent ihren Freunden als Ort des Zeitvertreibs vorschlagen würden. Den „Lindenpark“ in Babelsberg kennen mehr als 70 Prozent, empfehlen würden ihn zwei Drittel. Nur 50 Prozent würden dies bei der Freizeitstätte „Treffpunkt Freizeit“ am Neuen Garten tun. Und auch das ambitionierte Tanztheater „fabrik“ in der Schiffbauergasse erreicht nur 40 Prozent für eine Weiterempfehlung, mehr als 20 Prozent kennen es nicht einmal.
Wenig bekannt ist auch die Alternativkultur. Im „Archiv“ in der Leipziger Straße war erst jeder dritte Befragte, ebenso im studentischen Kulturzentrum (KuZe) in der Hermann-Elflein-Straße. Der „Spartacus“-Verein, der allerdings seit mehr als zwei Jahre kein offizielles Quartier mehr besitzt und erst jetzt Aussicht auf das im Bau befindliche „Freiland“-Jugendzentrum in der Friedrich-Engels-Straße hat, erhält nur von knapp 40 Prozent eine Weiterempfehlung. Jeder Fünfte kennt ihn nicht. Den Jugendklub S13, der auch ins „Freiland“ ziehen soll, kennen 35 Prozent nicht. Sowieso geben nur 15 Prozent der Befragten an, sich in von Sozialarbeitern betreuten Jugendklubs zu treffen – bei den 14- bis 17-Jährigen sind es immerhin rund ein Drittel.
Allerdings wird in der Umfrage nicht gefragt, wie oft bestimmte Einrichtungen genutzt werden. Ein überraschendes Ergebnis: Die für Jugendliche vergleichsweise teure Biosphäre wurde von allen Einrichtungen mit 80 Prozent am häufigsten weiterempfohlen. „Wir werden die Ergebnisse nun in den entsprechenden Gremien besprechen“, so Magdowski. Zur Kritik von Jugendkultur-Vertretern, nicht mit an der Umfrage beteiligt worden zu sein, sagte Magdowski, dies hätte womöglich der Repräsentativität der Studie geschadet. Sie habe vorgefasste Meinungen zu der Umfrage vermeiden wollen, so Magdowski: „Hier habe ich mir einmal Freiräume genommen.“
Sportangebote vermisst
Sportveranstaltungen, -plätze und -hallen fehlen jedem fünften Befragten. Zehn Prozent wünschen sich dazu mehr Schwimmmöglichkeiten. Und 39 Prozent treffen sich regelmäßig in Sportvereinen. Einzelne Sportarten wurden nicht abgefragt. „Wir werden das Sportstätten-Entwicklungskonzept neu auflegen und haben gerade die Situation in den Sporthallen neu analysiert“, sagte Magdowski.
Treffpunkt zu Hause
Die Potsdamer Jugendlichen treffen sich am Häufigsten bei Freunden. 90 Prozent der 1000 Befragten sagen, dass sie dies oft“ oder „hin und wieder“ tun. Es folgen die Innenstadt, Bars, Parks und Kinos mit Werten ab 65 Prozent und mehr. Diskotheken besuchen 54 Prozent, Kulturhäuser 37 Prozent. Angebote wie die Volkshochschule nutzen nur knapp 20 Prozent, die Musikschule erreicht rund 25 Prozent. „Dass muss anders werden“, mahnte Magdowski die Einrichtungen.
Mehr Busse in der Nacht erwünscht
45 Prozent der 1000 Befragten finden mit dem Abend- und Nachtangebot von Bus und Bahn zu dünn – aber 52 sind „eher“ und „sehr“ zufrieden. Tagsüber liegt die Zufriedenheit sogar bei 87 Prozent. „Wir werden sehen, was wir in der Nacht machen können“, sagte Paffhausen. Denn für sein Unternehmen sei das Fahren in dieser Zeit teuer. „Da müssen wir einen Kompromiss zwischen Kosten und Bedürfnissen finden.“
Die Umfrage ist unter www.swp-potsdam.de im Bereich „Presse“ abrufbar.
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