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Landeshauptstadt: Umsteigen – oder aussteigen?

Neues Nahverkehrskonzept / Friederich: „Rückfall in die Steinzeit“ / ViP-Chef: Fahrplan nicht erarbeitet

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Neues Nahverkehrskonzept / Friederich: „Rückfall in die Steinzeit“ / ViP-Chef: Fahrplan nicht erarbeitet Von Sabine Schicketanz Streit um das neue Konzept für Potsdams Bahnen und Busse: Die Tauglichkeit des vom Berliner Unternehmen „Planung Verkehr Transport AG“ (PTV) im Auftrag der Stadtverwaltung erarbeiteten Nahverkehrskonzepts wird von Mitgliedern der CDU- und SPD-Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung bezweifelt. „Was bisher vorgelegt wurde, ist nicht geeignet, mehr Fahrgäste zu gewinnen“, sagte gestern Christian Seidel, SPD-Stadtverordneter und Vorsitzender des Bauausschusses sowie Mitglied im Aufsichtsrat des Verkehrsbetriebs in Potsdam (ViP). Der CDU-Fraktionsvorsitzende Götz Th. Friederich schreibt im CDU-Fraktionsblatt „Potsdamer Sichtachse“ sogar, mit dem PTV-Konzept drohe dem Nahverkehr in der Landeshauptstadt „der Rückfall in die Steinzeit“. Friederich lobt dagegen den derzeit geltenden „Takt 2000“, der von Verkehrsberater Dieter Doege erarbeitet wurde. Ein Grund für die negative Einschätzung des PTV-Konzepts ist offenbar, dass es bisher dazu noch keinen Fahrplan gibt. Dies könne aber gar nicht anders sein, erklärte ViP-Geschäftsführer Martin Weiss. Das ÖPNV-Gesetz schreibe eine Aufteilung der Entscheidungen vor: Die Stadtverordneten müssten den Nahverkehrsplan beschließen, die Verwaltung ein Nahverkehrskonzept erstellen lassen und der Verkehrsbetrieb den zugehörigen Fahrplan erarbeiten – welcher wiederum vom Aufsichtsrat abgesegnet werden müsse. Mit der Arbeit am Fahrplan habe der ViP aber noch gar nicht begonnen, so Weiss. Die Stadt habe das Konzept bisher nicht an ihn weitergereicht. Daher habe man den Start des neuen Konzepts samt Fahrplan von Dezember 2005 auf Mai 2006 verschoben. Christian Seidel sagte, die Stadtverordneten könnten über das neue Konzept kaum beschließen, wenn nicht der Fahrplan vorliegt. „Sonst kaufen wir die Katze im Sack.“ Wie geeignet das Konzept ist, wolle er nicht abschließend beurteilen. Aber: „Es gibt den Verdacht, dass es Verbesserungen im Fahrplan nicht zulässt.“ Zwar sei der Anteil der Straßenbahn-„Direktfahrer“ optimiert worden – 700 Tramnutzer pro Tag müssten nicht mehr umsteigen – allerdings sei unklar, welche Folgen dies für die „restlichen“ 70 000 Menschen habe, die täglich Straßenbahn fahren. Der erste Fahrplanentwurf des ViP habe die Folgen jedoch „verheerend“ erscheinen lassen, so Seidel. CDU-Fraktionschef Friederich spricht in diesem Zusammenhang über eine Erhöhung der durchschnittlichen Wartezeit um 176 Prozent von 2,80 auf 7,74 Minuten. So müsse beispielsweise auf Fahrten vom Bahnhof Pirschheide nach Babelsberg am Platz der Einheit elf Minuten beim Umsteigen gewartet werden. ViP-Chef Weiss verärgern diese Zahlen: Sie seien in einem internen Papier enthalten und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Endgültig entscheiden werden die Stadtverordneten über das neue Nahverkehrskonzept erst, wenn der Fahrplan vorliege, sagte Christian Seidel. Sollte die Stadt das Konzept als so genannte Mitteilungsvorlage, über die nicht abzustimmen ist, ins Stadtparlament einbringen, müsse diese zurückgewiesen werden. Dies sei bisher wohl mit keiner Mitteilungsvorlage geschehen. Unterdessen bahnt sich eine Entscheidung über den Kauf von bis zu 20 neuen Straßenbahnen für Potsdam an. Wie ViP-Chef Weiss erklärte, solle der Aufsichtsrat in einem Monat aus fünf Ausschreibungs-Varianten auswählen. Dabei gehe es darum, zwischen einer Standardbahn oder einer „individuellen“ Potsdam-Lösung zu wählen. Fällt das Votum auf Standard, könne Potsdam sehr wahrscheinlich mit einer anderen Stadt gemeinsam ausschreiben und Kosten sparen. Dass die neuen Bahnen ein aus Stahl geschweißtes Drehgestell haben müssen und damit nur 70 Prozent des Niederflur-Komforts – ein stufenloses Einsteigen – bieten, sei als „weiche“ Bedingung formuliert. Bisher erfülle die Magdeburger Alstom-Bahn, die schon auf Potsdams Gleisen probegefahren wurde, alle Vorstellungen. Gebe es mit der Stadt eine Einigung über die Finanzierung der Neueinkäufe, könne Anfang Dezember ausgeschrieben werden, so Weiss. Informationen, ViP und Stadt wollten die Potsdam-Linien der Havelbus Verkehrsgesellschaft übernehmen, wies Weiss zurück: „Soweit ich informiert bin, wird dieses Jahr nichts mehr unternommen.“ Laut Vergaberecht könne die Stadt jedoch bei Auslaufen des Vertrags mit Havelbus den Auftrag nicht ohne Ausschreibung wieder an das Unternehmen der Landkreise Potsdam-Mittelmark und Havelland geben. Dies widerspreche dem Vergaberecht, da Havelbus nicht wie der ViP ein städtisches Unternehmen sei.

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