Landeshauptstadt: Umstrittener Einsatz
Streit zwischen linker Szene und Polizei um eskalierte Demonstration geht weiter
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Innenstadt - In Potsdams linker Szene brodelt es. Mehr als eine Woche nachdem in der Innenstadt ein unangemeldeter Protestzug gegen die Räumung eines besetzten Hauses eskalierte, gibt es weiter Kritik an dem Polizeieinsatz am 28. Dezember 2011. Etliche Erklärungen linker Gruppen sind dazu inzwischen im Internet erschienen. So habe die Polizei „gewaltbereit“ und „provokant“ agiert, erklärte beispielsweise der Trägerverein des alternativen Kulturzentrums „Archiv“ in der Leipziger Straße: Die Polizei bewertet den Einsatz anders, inzwischen ist von drei verletzten Polizisten die Rede – die aber weiter dienstfähig gewesen seien.
Wie berichtet sollte der Protestzug am 28. Dezember ein Zeichen gegen steigende Mieten in Potsdam und die Räumung eines symbolisch besetzten Hauses in der Stiftstraße darstellen. Nun wird wegen Beleidigung, Körperverletzung, Landfriedensbruchs und Widerstand gegen Polizisten ermittelt, so die Polizei. Dazu gab es eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz, weil ein Demonstrant bei dem Umzug einen Böller gezündet hat – vor Silvester ist das verboten.
Schon der Beginn der Aktion ist strittig: Nach Unstimmigkeiten mit der Polizei über die Auswahl der Ordner hatte der Linke-Stadtverordnete Jens Gruschka die Anmeldung für die kurzfristig geplante Demonstration wieder zurückgezogen. Nun hätte der Anmelder die etwa 70 Anwesenden informieren müssen, dass keine Demonstration mehr angemeldet sei, erklärte Polizeisprecher Torsten Ringel auf Anfrage. Und offenbar kam diese Information nicht bei allen Demonstrationswilligen vor Ort an. Er sei davon ausgegangen, dass die Demo angemeldet sei, so ein Teilnehmer. Auch sei die Polizei nur mit wenigen Beamten vor Ort gewesen und habe zunächst nichts unternommen – auf Fotos ist zu erkennen, dass in der Brandenburger statt Polizisten am Rande lediglich einige Einkäufer zu sehen sind.
Erst nachdem zusätzliche Polizisten eintrafen und der Umzug auf die Charlottenstraße kam, habe die Polizei den Weg versperrt. Um nicht eingekesselt zu werden, hätten einige Teilnehmer Mülltonnen auf die Straße gezogen um den Polizeifahrzeugen die Durchfahrt zu sperren, so ein Beobachter. Das hatte keinen Erfolg. Die Polizei kesselte sämtliche Teilnehmer ein und stellte die Personalien von insgesamt 62 Menschen fest. Polizeisprecher Ringel sagte, das Vorgehen sei gerechtfertigt, da aus der Gruppe heraus Straftaten verübt worden seien. So habe es sich um eine „Ansammlung von Personen“ gehandelt, die nicht vom Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit geschützt gewesen sei.
Dass es bei der Kontrolle der Personalien zu Übergriffen durch Polizisten gekommen sein soll, sei der Polizei nicht bekannt. Es seien keine Polizisten angezeigt worden, so Ringel. Mehrere Teilnehmer der Demo bestätigten unterdessen folgenden Vorfall: Ein Demonstrant sei von mehreren Polizisten mehrere Minuten zu Boden gedrückt worden und anschließend mit auf den Rücken gedrehtem Arm in ein Polizeifahrzeug gezerrt worden. mar/ HK
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