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Ratlos. Nur drei Viertel der Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern werden in Potsdam aufgeklärt. Warum die Quote gerade in der Landeshauptstadt so niedrig ist, kann keiner so recht erklären.

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Sexueller Missbrauch von Kindern: Ungeklärt

Potsdam hat landesweit die niedrigste Quote bei der Aufklärung von sexuellem Missbrauch von Kindern

Von Katharina Wiechers

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Wenn Kinder Opfer sexuellen Missbrauchs werden, taucht das selten in der Statistik auf: Schätzungen zufolge werden nur etwa zehn Prozent dieser Fälle überhaupt bei der Polizei gemeldet. Doch auch wenn es zu einer Anzeige kommt, heißt dies noch nicht, dass der Täter auch gefasst wird. Vor allem in Potsdam ist die Aufklärungsquote bei Sexualstraftaten vergleichsweise niedrig. Im vergangenen Jahr lag sie bei 75 Prozent und unter der Quote in allen anderen kreisfreien Städten und Landkreisen. Dies geht aus aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der CDU hervor.

40 Fälle von sexuellem Missbrauch von Mädchen oder minderjährigen Frauen wurden demnach im vergangenen Jahr in Potsdam registriert, davon waren 26 Opfer unter 14 Jahre alt und 14 zwischen 14 und 18. Meistens sind nahe Verwandte die Täter, wie Lydia Sandrock vom Autonomen Frauenzentrum in Potsdam sagt. 60 Prozent machten allein die Väter und Stiefväter aus. Dies ist auch einer der Gründe, warum die Täter so selten angezeigt würden, meint die Psychologin. „Die Kinder lieben ihre Eltern, egal, was sie ihnen antun“, sagt sie. „Sie wollen, dass der Missbrauch aufhört, aber sie wollen nicht, dass Papa im Knast sitzt.“ Trauten sie sich dann doch zu sprechen, zerbreche oft die Familie daran und die Kinder hätten Schuldgefühle. Oft seien die Taten aber auch schon verjährt, wenn die Opfer nach Jahren den Mut gefunden hätten, Anzeige zu erstatten.

In den anderen kreisfreien Städten war die Zahl der registrierten sexuellen Straftaten im vergangenen Jahr deutlich niedriger: In Cottbus wurden 27 Mädchen unter 18 Jahren gezählt, in der Stadt Brandenburg 14, in Frankfurt (Oder) zwölf. Dies müsse aber nicht heißen, dass in der Landeshauptstadt tatsächlich die meisten Sexualstraftaten begangen wurden, sagt Sandrock. „Vielleicht bedeutet das auch, dass die Potsdamer sich eher trauen, Anzeige zu erstatten.“ Schließlich werde in der Stadt viel gemacht, das Thema sei in den vergangenen Jahren mehr und mehr in die Öffentlichkeit gerückt. „Ich habe schon den Eindruck, dass mehr Beratung aufgesucht wird, dass die Menschen aufmerksamer sind und eher mal was melden“, sagt die Psychologin. Warum gerade in Potsdam die Aufklärungsquote so niedrig ist, könne sie sich nicht erklären.

Bei der zuständigen Polizeidirektion West gibt man zu bedenken, dass in die Statistik zum Beispiel auch die schwer aufzuklärenden Fälle von Exhibitionismus miteinfließen. Meist lägen bei diesen Taten kaum erfolgversprechende Hinweise auf die Täter oder andere Ermittlungsansätze vor, sagte ein Sprecher. Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos) wies zudem darauf hin, dass die Statistik nur den Zeitpunkt der Anzeige, nicht aber jenen der Tat erfasse. So habe es zum Beispiel im Jahr 2010 deutlich mehr Anzeigen wegen Sexualstraftaten gegeben, weil damals die Missbrauchsfälle an Internaten ans Licht kamen. Viele Erwachsene erstatteten damals Anzeige wegen Fällen aus ihrer Kindheit.

Für die Leiterin der Beratungsstelle des Sozial-Therapeutischen Instituts Berlin-Brandenburg (Stibb), Annelie Dunand, ist die niedrige Aufklärungsquote hingegen ein Hinweis auf die Überlastung der Polizei. Seit der Polizeireform fehlten oft die Kapazitäten für umfangreiche Ermittlungen. Früher sei schlicht mehr Zeit gewesen, den teils vagen Hinweisen der Kinder nachzugehen.

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