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Landeshauptstadt: Ungeliebtes Exil

Drei Jahre lebte der Dichter Theodor Storm in Potsdam: Ein Filmteam stellte jetzt Szenen nach

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Innenstadt – Theodor Storm kommt auf dem Fahrrad die Hegelallee heruntergefahren. Vor dem Amtsgericht in der Nummer 8 steigt er von seinem orangeroten Rad, Marke Mifa, ab. Er wird bereits erwartet: Von einem Filmteam um Produzenten Uwe Fleischer vom Studio Babelsberg. „Storm ist wieder nach Potsdam gekommen“, erklärt der die Idee der etwa 15-minütigen Dokumentation des Berliner Defa-Film-Vertreibers Icestorm, für die in den vergangenen Tagen an verschiedenen Schauplätzen in Potsdam gedreht wurde. Andreas Hueck vom Poetenpack hatte sich für die Rolle als dichtender Jurist ordentlich in Schale geschmissen: Der graue Samtzylinder, Frack und die karierte Steghose stammten aus dem Kostümfundus Babelsberg. Der Film soll im kommenden Januar als Bonusmaterial auf der DVD-Auflage der Storm-Verfilmung „Pole Poppenspäler“ von 1954 erscheinen, so Fleischer.

„Theodor Storm war für uns eigentlich ein Mann aus Husum“, erinnert sich der Produzent. „In Potsdam hat er nicht viele Spuren hinterlassen“, weiß auch Drehbuchautorin Katharina Kiklas. Für ihre Recherche kontaktierte die gebürtige Kleinmachnowerin unter anderem die Storm-Gesellschaft in Husum. Die 20-Jährige machte für ihr erstes Drehbuch alle Wohnungen Storms in der Landeshauptstadt ausfindig: Er lebte zunächst in der Brandenburger Straße 70, über dem heutigen „Eiscafé am Brandenburger Tor“. Dort erinnert seit 1993 eine Tafel am Haus an den Juristen und Dichter. Die beiden anderen Wohnungen liegen in der Dortustraße 68 und in der Benkertstraße 11. In dem Haus im Holländischen Viertel habe es bis vor einigen Jahren ein „Storm Stübchen“ gegeben, berichtet Kiklas.

Freiwillig ist Storm nicht nach Potsdam gekommen, weiß die Autorin, die seit 2005 Mediengestaltung an der Weimarer Bauhaus-Universität studiert: Aus seiner Heimat in Schleswig-Holstein wurde der damals 36-Jährige 1853 verbannt, weil er sich am Unabhängigkeitskampf Schleswig-Holsteins gegen die Dänen beteiligt hatte. „Schweren Herzens bezog er den Dienst am Potsdamer Amtsgericht“, heißt es in ihrem Drehbuch. Seit drei Jahren hängt dort im Foyer eine Gedenktafel für den berühmten Beamten. Dabei war seine Stelle als Gerichtsassessor damals sogar unbezahlt, erzählt Kiklas. Um die Frau und seine drei Söhne versorgen zu können, sei Storm wieder auf die Unterstützung der Eltern angewiesen gewesen.

Richtig heimisch geworden ist der Dichter hier nicht, meint die Drehbuchautorin. Er habe Potsdam verächtlich als „Militär-Casino“ bezeichnet. Immerhin hatte Storm im nahe gelegenen Berlin noch Freunde aus seiner Studienzeit: Mit dem Dichter Theodor Fontane, dem Maler Adolf von Menzel und dem Kunsthistoriker Franz Theodor Kugler traf er sich regelmäßig zum „Rütlikreis“. Drei Novellen seien im ungeliebten preußischen Exil entstanden: „Im Sonnenschein“, „Angelika“ und „Wenn die Äpfel reif sind“. Storm ließ sich dafür von den Parkanlagen Sanssoucis und der Havellandschaft inspirieren, fand Kiklas heraus. Auch die Geburt von Storms erster Tochter im Juni 1855 fiel in seine Potsdamer Zeit.

Vor genau 150 Jahren verließ er die Stadt schließlich in Richtung Thüringen. Auf den Umzug in umgekehrte Richtung hingegen freut sich Autorin Kiklas schon jetzt: Im thüringischen Weimar will sie nicht bleiben. Denn Familie und Freunde habe sie hier, in Potsdam. Jana Haase

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