Landeshauptstadt: Ungesunde Luft: Potsdam bittet EU um Aufschub
Zu viel Stickstoffoxid und Feinstaub: Erneut droht Überschreitung gesetzlicher Grenzwerte / Luftreinhalteplan wird überarbeitet
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In der Potsdamer Luft lassen sich auch in in diesem Jahr mehr Schadstoffe nachweisen als gesetzlich erlaubt: Der Grenzwert für gesundheitsschädliches Stickstoffoxid (NO2) wird in der Landeshauptstadt in diesem Jahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erneut in Babelsberg und Potsdam-West überschritten. Das geht aus aktuellen Erhebungen aus dem Landesumweltamt (LUA) hervor, die den PNN auf Anfrage vorliegen.
So beträgt nach acht von zwölf Monaten die durchschnittliche Belastung mit dem Stickstoffgas sowohl in der Babelsberger Großbeerenstraße als auch in der Zeppelinstraße in Potsdam-West genau 47 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter. Eine Richtlinie der Europäischen Union (EU) legt seit vergangenem Jahr fest, dass der Jahresmittelwert von Stickstoffoxid unter 40 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen muss. Das Gas entsteht als Verbrennungsrückstand in Automotoren, greift Schleimhäute an und begünstigt Atemwegserkrankungen. Mit den Werten gehörten die Potsdamer Straßen im Land zu den mit dem Luftschadstoff NO2 „am höchsten belasteten Straßenabschnitten“, sagte LUA-Sprecherin Frauke Zelt den PNN. Im vergangenen Jahr waren in der Zeppelinstraße im Schnitt 45 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter gemessen worden, in der Großbeerenstraße 43 Mikrogramm.
Die Werte sind damit so hoch, dass die EU-Umweltbehörde jetzt einen Brief aus Potsdam erhalten hat mit der Bitte, der Stadt noch bis 2015 Zeit zu geben, um die Grenzwerte einzuhalten. „Das geht nur, wenn konkrete Maßnahmen geplant sind“, sagte Markus Klier, Sprecher der Stadtverwaltung. Das Schreiben an die EU bestätigte auch Frauke Zelt aus dem LUA. Um die Werte zu senken, werde gemeinsam mit der Stadt der erstmalig 2006 beschlossene Luftreinhalteplan (LRP) für Potsdam überarbeitet, so die LUA-Sprecherin: „Der Entwurf wird gerade mit den zuständigen Gremien abgestimmt.“ Die Berechnungen zeigten schon jetzt, dass ab 2015 die Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid bei Umsetzung der aufgestellten Maßnahmen „sicher eingehalten werden können“, betonte Zelt. Eine Antwort der EU auf den Wunsch nach mehr Zeit stehe aber noch aus. Hintergrund: Gegen Städte, die zu viele Schadstoffe in der Luft haben, kann die EU Strafzahlungen verhängen. Dies sei aber noch nie passiert, so die Stadtverwaltung.
Zu konkreten Maßnahmen gegen ungesunde Luft hatte die Stadt erst im August auf Anfrage der Linke-Fraktion erklärt, dass in der Zeppelin- und Großbeerenstraße der Verkehrsfluss „verstetigt“ werden solle – mittels neuer Ampelschaltungen. Ähnliches ist in der Behlert- und in der Breiten Straße geplant. Weil die Autos dann weniger anfahren und bremsen müssten, soll die Luft sauberer werden. Bis Jahresende sollen die Maßnahmen laut Rathaus umsetzt sein. Inwiefern dies schon geschehen ist, blieb gestern unklar.
Zugleich erklärte die Verwaltung gegenüber der Linke-Fraktion weiter, nach Überarbeitung des Luftreinhalteplans – voraussichtlich Ende dieses Jahres – werde das Papier den Stadtverordneten vorgelegt. Es enthalte Maßnahmen wie den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, bessere Radwege, die Überprüfung des Routennetzes für Laster und mehr Tempo 30-Zonen, so das Rathaus. Eine Umweltzone wie im benachbarten Berlin wird nicht als Option genannt.
Nicht nur beim Stickstoffoxid, auch beim Thema Feinstaub muss die Stadt noch nachsteuern. So hat das LUA schon jetzt im September an der Zeppelinstraße eine Feinstaubbelastung registriert, die nur knapp unter geltenden Grenzwerten liegt. So wurden an dem Messpunkt der geltende Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter bereits an 34 Tagen in diesem Jahr überschritten – die EU erlaubt seit 2005 aber nur 35 solcher Verstöße pro Jahr. In der Großbeerenstraße gab es bislang 20 Überschreitungen – im Gegensatz zu 40 Verstößen an dieser Stelle im vergangenen Jahr. In der Zeppelinstraße wurde der Feinstaubgrenzwert im vorigen Jahr 37 Mal nicht eingehalten. Die äußerst kleinen Feinstaubpartikel können Lungenkrebs verursachen.
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