Von Sabine Schicketanz: Unheilbare Verfehlungen?
Geulen: Potsdam am Griebnitzsee endgültig gescheitert / Kanzlei erstellte Rechtsgutachten für Anrainer
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Babelsberg / Berlin - Das wesentliche Arbeitsprinzip Reiner Geulens, so war nach dem Bombodrom-Prozess in dieser Zeitung zu lesen, sei schnell beschrieben. Er brüte einfach so lange über Akten, Schriftsätzen und Verwaltungsverfügungen, bis er den unheilbaren juristischen Fehler entdeckt habe. Den Fehler, der die Argumentation der Gegenseite zum Einsturz bringe. Beim ehemaligen Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide war es so. Geulen stoppte die Bundeswehr. Wird der Berliner Rechtsanwalt im Fall Griebnitzsee jetzt die Potsdamer Stadtverwaltung stoppen?
Die Kanzlei Geulen & Klinger vertritt einige Seeanrainer in der Auseinandersetzung mit der Landeshauptstadt. Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte sie bereits Erfolg: Ende April 2009 kassierte das Gericht den Bebauungsplan der Stadt für das Ufer. Einen neuen gibt es seitdem nicht, die Verwaltung tut sich offenkundig schwer damit, ein Planwerk zu erstellen, das juristisch standhält. Nachdem Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) mitten im Wahlkampf einräumen musste, dass der Plan statt im September erst im Dezember fertig wird, ist nun ein externes Büro beauftragt, der Verwaltung zur Hilfe zu eilen.
Geht es allerdings nach Geulen, ist das gar nicht mehr nötig. Potsdam habe in den 20 Jahren seit der deutschen Wiedervereinigung „in den bisherigen Planungsverfahren sowie in dem Verhalten gegenüber Restitutionsgläubigern und ihren Rechtsnachfolgern“ derart „schwerwiegende Grundrechtsverletzungen“ begangen, dass die Verwaltungs- und Planungsverfahren „unheilbar rechtswidrig“ seien, schreibt der Jurist in einem Rechtsgutachten zum Verkauf der bundeseigenen Grundstücke am Griebnitzsee, das den PNN vorliegt. Damit sei die Landeshauptstadt „gehindert, die weiteren Planungen zur Errichtung eines Verkehrsweges am Griebnitzsee“ fortzusetzen.
Zu diesem Schluss komme er auf Grundlage der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, so Geulen weiter. Potsdam habe „kalte Enteignung“ praktiziert, habe die Nutzung privaten Eigentums „faktisch“ entzogen und damit die Entschädigungspflicht umgangen. So habe die Stadtverwaltung vom 3. Oktober 1990 bis April 2009 den ehemaligen Kolonnenweg der DDR-Grenzer durch „Beschilderung einer öffentlichen Nutzung als Verkehrsweg“ zugeführt, obwohl dieser weitgehend Privateigentum sei. Auch habe die Stadt gegenüber den Erben der von den Nationalsozialisten nach 1933 enteigneten Villenbesitzern „unrichtige Angaben über die Eigentumsverhältnisse“ gemacht und durch die Beanspruchung des Uferstreifens „einen schwerwiegenden und jahrzehntelangen rechtswidrigen Eingriff in die Eigentumsrechte“ praktiziert.
Zunächst hat diese Argumentation Geulens keine juristische Wirkung. Doch wenn die Stadt den neuen Bebauungsplan vorlegt, Anrainer dagegen erwartungsgemäß Klage einreichen, wird ein Gericht die Rechtmäßigkeit des Planwerks prüfen müssen – und offenbar auch die Rechtmäßigkeit des kompletten Verfahrens.
Bis es soweit kommt, dreht sich der Griebnitzsee-Konflikt um die bundeseigenen Ufergrundstücke, die als Schlüssel für einen öffentlichen Uferweg gelten: 51 Seegrundstücke, bis auf eines ehemalige Mauergrundstücke, die 31 700 Quadratmeter umfassen und die für mindestens drei Millionen Euro jetzt veräußert werden sollen. Das Geld fließt in den Mauerfond und damit direkt in die neuen Bundesländer, wo es für soziale, wirtschaftliche und kulturelle Projekte ausgegeben werden darf. Über konkrete Projekte entscheidet der Haushaltsausschuss des Bundestags – genauso wie über den Verkauf der Griebnitzsee-Flächen des Bundes.
Das Bieterverfahren, das die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) trotz vehementer Interventionen der Stadt Potsdam eingeleitet hatte, ist vor einer Woche beendet worden. Geulen fordert in seinem Rechtsgutachten nun namens der von ihm vertretenen Anrainer, Potsdam vom Bieterverfahren auszuschließen. Das Gebot der Stadt sei mit Vorbehalten und Bedingungen verknüpft und daher unwirksam. Die Bima müsse an die „meistbietenden Anwohner“ verkaufen, da für sie das „Gebot wirtschaftlicher Verwertung bundeseigener Grundstücke“ gelte. Auch verwehre der Grundsatz der Bundestreue es dem Bund, den neuen Bundesländern „die Einnahme aus dem Verkauf der fünfzig Griebnitzsee-Grundstücke vorzuenthalten und stattdessen einen kommunalen Fahrradweg zu finanzieren“. Für die Bima hätte ein Verkauf an Potsdam zudem „untragbare Konsequenzen“, so das Gutachten. So wäre die Bundesanstalt dem „Begehren von Gemeinden ausgesetzt“, Grundstücke zu niedrigen Preisen zu kaufen. Dabei hätten die Kommunen für ihre Vorhaben anhand des Planungsrechts „jede gesetzliche Möglichkeit“.
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