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Landeshauptstadt: Uni duldet Regenbogenfahne – erlaubt sie aber nicht

Studenten hissten gestern Symbol-Flagge / „Fluchtwohnung“ für Homosexuelle in Potsdam gefordert

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Sanssouci - Trotz des Verbots durch das Hochschulpräsidium haben Studenten gestern auf dem Campus der Universität Potsdam am Neuen Palais die Regenbogenfahne gehisst. Sie steht für Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben. Das Präsidium der Uni hatte der Hochschulgruppe „QueerUP“ das Hissen der Fahne untersagt (PNN berichteten).

Dabei bleibe es auch, erklärte gestern der amtierende Vize-Präsident der Uni, Thomas Grünewald. Die Hochschulleitung werde die Fahne aber tolerieren. Darauf habe sie sich am Morgen verständigt. „Wir werden nichts unternehmen, um sie wieder abzunehmen“, so Grünewald am Vormittag vor den Studenten. Eine Billigung der Uni-Leitung gebe es dennoch nicht – „sie möchte neutral bleiben“. Gleichzeitig räumte Grünwald ein, die Uni sei mit ihrer Entscheidung gegen die Fahne „unter Druck geraten“. Sie bleibe aber bei ihrem Beschluss nach dem Gleichbehandlungs-Grundsatz: Erlaube die Uni die Regenbogenfahne, müsse sie auch anderen Gruppen oder Initiativen eine Zusage geben.

Dem widersprachen gestern sowohl Dorit Horn, Referentin für Geschlechterpolitik des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), sowie Nils Naber, Chef der Potsdamer Grünen. Eine Haltung für Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben sei „alternativlos“, so Naber – das gelte besonders für die Uni, die sich hochkarätig an der Debatte um ein neues Potsdamer Toleranzedikt beteilige. Horn sagte, sie könne das Argument, dass das erlaubte Hissen der Regenbogenfahne die Uni verpflichten würde, auch bei anderen Gruppen Zusagen zu geben, nicht nachvollziehen. Sie schilderte zudem, dass die Universitätsleitung den AStA bereits vor anderthalb Wochen aufgefordert habe, eine Regenbogenfahne abzunehmen, die Studenten im Hinterhof des AStA-Büros gehisst hätten. Bis auf das Verbot des Flaggen-Hissens zum „Christopher Street Day“, der am vergangenen Wochenende stattfand, habe es laut Horn keine weiteren Reaktionen der Uni-Leitung gegeben.

Allein das Verbot zeige, dass es nötig sei, die Flagge zu hissen, so Horn. Schwule, lesbische oder bisexuelle Studenten seien an der Uni Potsdam zwar keinen Anfeindungen ausgesetzt, „unterschwellig“ gebe es aber immer wieder Konfrontationen. So würden beispielsweise die Aushänge der Hochschulegruppe „QueerUP“, die rund 30 Mitglieder habe, beschmiert oder verunstaltet. Gleichzeitig habe die Uni Potsdam „Nachholebedarf“ bei der Berücksichtigung homosexueller Belange vor allem in der Lehrerbildung. Sie kämen nicht vor, obwohl fünf Prozent der Bevölkerung schwul, lesbisch oder bisexuell seien – „was bedeutet, dass jeder Lehrer in der Klasse einen Schüler oder eine Schülerin hat, die sexuell anders orientiert ist“, erklärte Horn. Die Lehrer seien aber durch den Mangel im Studium kaum auf den Umgang mit diesen Schülern vorbereitet.

Mehr Unterstützung der Stadt Potsdam und des Landkreises Potsdam-Mittelmark forderte gestern am Rande des Flaggen-Hissens die Kommunale Arbeitsgemeinschaft Tolerantes Brandenburg e.V. (Katte e.V.). Dringend gebraucht werde eine „Fluchtwohnung“ in der Stadt, in der junge Homosexuelle unterkommen könnten, die nach ihrem Outing von ihren Eltern zuhause herausgeworfen werden, sagte Carsten Bock, Vorstand des 2004 in Potsdam gegründeten Vereins. Zudem gebe es in der Landeshauptstadt nur wenig Hilfs- und Beratungsangebote für Homosexuelle und „geschützte Räume“, in denen schwule und lesbische Jugendliche unter sich seien und Selbstvertrauen gewinnen könnten. Potsdam sei eine sehr tolerante Stadt, so Bock, doch „das hört vor den Grenzen der Stadt spontan auf“. Jugendliche aus dem Umland kämen teilweise „seelisch deformiert“ vom Verbergen der eigenen Sexualität nach Potsdam und bräuchten Hilfe. Der Verein Katte e.V. wolle aber in erster Linie die Abwanderung Homosexueller aus Brandenburg stoppen und dafür der „Intoleranz auf dem Land“ entgegenwirken. Bisher bekommt der Verein für Projekte nur Geld von der Stadt und arbeitet ansonsten ehrenamtlich. Sabine Schicketanz

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