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Tauwetter. Wie viel Methan die abtauenden Permafrostböden in Zukunft freigeben werden, ist ungewiss.

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Potsdam Summer School 2014: Wissenschaftler diskutieren über die Zukunft der Arktis

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„Niemand weiß, wie viel Methan künftig aus den Permafrostböden der Arktis an die Oberfläche gelangt“, sagt Wolfgang Hubberten. Der Leiter der Potsdamer Forschungsstelle des Alfred Wegener Institutes für Polar und Meeresforschung (AWI) verbringt jedes Jahr einige Monate in der Arktis. „Wenn ich mit dem Schlauchboot dort herumfahre, blubbert es überall“, sagt Hubberten. Das sei vermutlich das Methan, das sich durch das aufgetaute Eis seinen Weg an die Oberfläche bahne. Unter den Permfrostböden der Arktis lagern erhebliche Mengen gespeicherten Methans. Gegenwärtig liegt noch gefrorenes Eis wie ein Deckel darüber, wenn das Methan nicht ohnehin als Methangashydrat gefroren ist. Wegen des Klimawandels könnte das Eis jedoch künftig schmelzen und das Methan freigeben, vermuten die AWI-Wissenschaftler. Methan sei für die Atmosphäre etwa 20 bis 30 mal so gefährlich wie Kohlendioxyd, erklärt Peter Lemke vom Alfred Wegener Institut.

Die von Menschen beeinflusste Arktis ist das Thema der diesjährigen Potsdam Summer School, die noch bis bis 4. Juli in Potsdam stattfindet. Eingeladen hatten unter anderem das Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS), das Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) und das AWI Potsdam. Der IASS-Gründungsdirektor Klaus Töpfer betonte einmal mehr, dass der Klimawandel eine erhebliche Herausforderung für eine Weltbevölkerung von künftig neun Milliarden Menschen darstelle. Die Energiewende weg von fossilen Brennstoffen müsse daher voran getrieben werden.

Zur Summer School kamen nicht nur Geowissenschaftler und Klimaforscher, sondern auch Mathematiker, Sozial- und Politikwissenschaftler aus aller Welt nach Potsdam. Fast zwei Wochen lang standen die Veränderung der Arktis durch den weltweit beobachteten Klimawandel im Zentrum des Interesses der internationalen Wissenschaftler. Wie dramatisch die Veränderungen der nördlichen Eisgebiete sind und wie sich die Folgen des Klimawandels dort auf die gesamte Atmosphäre auswirken, wurde auf einer öffentlichen Podiumsdiskussion in der Universität Potsdam diskutiert.

Sicher sind sich die Forscher, dass sich die Eisgebiete der Arktis verändern. Drei bis vier Monate im Jahr taut die oberste Schicht der permanent gefrorenen Böden der Arktis auf. In manchen Gebieten in Russland sei diese getaute Schicht in den vergangenen 50 Jahren um etwa 20 Zentimeter dicker geworden, so Hubberten. Der Untergrund in Alaska sei in 35 Meter Tiefe in den vergangenen Jahren um bis zu 1,5 Grad wärmer geworden. Andernorts würden noch verlässliche Daten fehlen. Denn die Forschung in der Arktis sei nicht immer einfach. In den vergangenen 25 Jahren sei nur selten von russischer Seite die Erlaubnis zur Erforschung von flachem Schelfeisfächen, also von Eisflächen, die über dem Meer hängen, erteilt worden. Generell aber würden internationale Wissenschaftler gut zusammenarbeiten, um mehr Kenntnisse über die kalten Gebiete im hohen Norden zu erhalten. Das Alfred Wegener Institut begeben sich jedes Jahr mit etwa 60 Wissenschaftlern dorthin, ungefähr die Hälfte davon international besetzt.

Dass die internationale Kooperation bei der Erforschung der Arktis generell recht gut sei, bestätigt auch die Juristin Nele Matz-Lück: „Es wird keinen Arktisvertrag, vergleichbar dem Antarktisvertrag, geben, denn der ist nicht notwendig.“ Es gebe den Arktischen Rat, in dem die Interessen der Anrainerstaaten der Arktis, Klimaschutzziele und auch die Interessen der indigenen Völker in den Arktis berücksichtigt würden.

Interesse an Forschung in der Arktis haben nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Wirtschaftsunternehmen und Staaten. Denn in den gegenwärtig noch gefrorenen Böden lagern erhebliche Vorräte an Erdgas, Erdöl, Erzen und seltenen Erden.

Die Rohstoffe der Arktis seien für alle Anrainerstaaten von Interesse und würden künftig sicherlich auch abgebaut werden, so Matz-Lück. Der Abbau der Rohstoffe werde durch die Erwärmung und das damit einhergehende Auftauen der oberen Schichten der Permafrostböden jedoch nicht unbedingt einfacher. Der Boden werde matschig und instabil, was für Bohrungen und Transportwege schwierig sei. Wenn aber Umweltschützer, wie im vergangenen Sommer, versuchen würden, eine Ölbohrplattform in der Arktis zu erklettern und dort gegen Rohstoffabbau zu protestieren, so gehe dies an der tatsächlichen und rechtlichen Situation in der Arktis vorbei. Denn niemand könne den Staaten und Gesellschaften vorschreiben, wie mit den Rohstoffen umzugehen ist. Wenn die indigenen Völker dort statt Walfang lieber am Rohstoffboom teilhaben wollten, dann sei das ihr Recht. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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