Zur Fußball-EM: Unsere Männer
Wie wunderbar ist diese EM – der Mann beim Public Viewing, zu Hause Ruh. Eine Betrachtung.
Stand:
Mein Gott, ich freue mich auf die EM. Auf die vielen schönen Abende, der Mann beim Public Viewing und ich hab meine Ruh. Vielleicht gehe ich auch ab und zu mit, ist ja spannend. Also das Publikum. Fußballfans sind schon sehr putzig.
Mein Opa war auch so ein Sportbegeisterter. Bei ihm war es Skispringen. Die Großeltern wohnten im Harz, hatten die Berge vor der Tür und eine eindrucksvolle Sammlung an Skiern und Stöcken, alles Vorkriegsproduktion, an der Kellerwand aufgereiht, dazu im Regal zwischen Rosendünger und Gartenschere die passenden unverwüstlichen Lederschuhe.
Wenn Jens Weißflog dran war, 1984 in Sarajewo, dann hatte im Wohnzimmer Ruhe zu herrschen. Opa saß vor dem Fernseher, das Nachmittagsbier rechts von ihm auf dem großen, runden Familienesstisch. Opa auf einem Stuhl, kein Sessel, und leicht nach vorn gebeugt, dem Apparat mit dem grau-krisseligen Bild entgegen, damit er noch besser sehen und hören konnte. Wir Enkel, die wir in den Winterferien zu Besuch waren, saßen weiter hinten. Erstaunt über diesen Opa, der eben noch mit uns deutsche Grammatik geübt hatte (Opa war Berufsschullehrer gewesen). Und der jetzt wie verwandelt war. Irgendwie sonderbar glücklich.
Sport war ja eher nicht so unser Ding. Aber man konnte Sympathiepunkte bekommen, wenn man sich von Opa begeistern ließ. Für diesen Goldjungen aus der DDR, den Überflieger. „Jetzt ist mein Junge dran“ , sagte Opa stolz.
Mein Junge. Unsere Jungs. Unsere Männer. Die werden in diesen Tagen erstaunliche Qualitäten entwickeln. Sie werden tagsüber ranklotzen, um pünktlich zu den Spielen Feierabend zu haben. Und noch Zeit, die Getränke ranzuholen. Sie, die bisweilen nicht wissen, wo sich in ihrem eigenen Haushalt das Spüli befindet (mein eigener Mann natürlich ausgeschlossen), werden Grill und Kühlung organisieren. Verlängerungskabel, Klappstühle, Fahrgemeinschaften. Ich finde das großartig. Und wünsche mir jedes Mal, sie würden von dem Schwung etwas in die fußballfreie Zwischenzeit mitnehmen. Siehe Spüli. Unsere Männer.
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