Neue Kriminalitätsstatistik für Potsdam: Unsichere Innenstadt
In Potsdams Zentrum ist die Kriminalität im vergangenen Jahr drastisch gestiegen. Die Händler sind alarmiert, Fahrraddiebe machen hier fette Beute.
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Potsdam - Die bisher letzte Attacke geschah Ende vergangenen Jahres. Damals wurde die Frontscheibe der Galerie Sperl eingeschlagen. Schon in den Monaten vorher hatten Unbekannte andere Fenster der Galerie im Erdgeschoss des Fachhochschulgebäudes an der Friedrich-Ebert-Straße eingeschlagen. „Dreimal haben wir Strafanzeige erstattet, ohne Erfolg“, sagt Galeristin Ursula Sperl. Ein Jahr mit so vielen Angriffen hat das Galeristenpaar Sperl bisher nicht erlebt.
Die Kriminalitätsstatistik für die Innenstadt bestätigt die subjektive Wahrnehmung, wonach es mehr Straftaten gegeben hat. Gradmesser dabei ist die sogenannte Kriminalitätshäufigkeitszahl (KHZ), also die Zahl der Delikte in einem Bereich, hochgerechnet auf 100 000 Einwohner. Für die nördliche Innenstadt – den Bereich um die Brandenburger Straße – lag die KHZ im vergangenen Jahr bei 22 864 Delikten, ein Plus von 36 Prozent. In der südlichen Innenstadt, zu der auch die Bahnhofspassagen gehören, registrierte die Polizei mit einer KHZ von 22 726 einen Anstieg um 33,5 Prozent.
Wie der Anstieg sich erklären lässt, dazu macht die Polizei kaum Angaben
Zum Vergleich: Die aktuelle KHZ für Potsdam insgesamt liegt bei 10 622 Fällen, ein Plus von 13,5 Prozent. Das Besondere an der Entwicklung im Zentrum: Obwohl 2013 und 2014 die Kriminalitätsbelastung in Potsdam erst stieg und dann wieder fiel, war der Trend in der Innenstadt jeweils relativ gleich, wurde jeweils eine KHZ zwischen 15 000 und 17 000 registriert – bis zu dem Anstieg im vergangenen Jahr.
Wie der sich erklären lässt, dazu machte die Polizei auf Anfrage keine Angaben – denn dazu müsste jede Deliktart für den Stadtteil einzeln ausgewertet werden, wie es von der Behörde zur Begründung hieß. Das sei unverhältnismäßig. Allerdings registrierte die Polizei in der nördlichen und südlichen Innenstadt zum Beispiel im vergangenen Jahr insgesamt rund 550 Fahrraddiebstähle – ein Viertel aller 2200 Fälle dieser Art in Potsdam. Auch Raubstraftaten waren überdurchschnittlich häufig, insgesamt 26 Fälle zählte die Polizei für das Zentrum – auch ein Viertel der registrierten rund 100 Fälle. Ebenso hatte die Polizei im vergangenen Jahr mehrfach vor Taschen- und Trickdiebstählen, speziell in der Innenstadt, gewarnt.
Die Diebstähle aus Läden werden organisiert durchgeführt
Speziell der Handel reagiert besorgt auf die Entwicklung. „Die gestiegene Kriminalität ist ein großes Problem – auch für Gastronomen und die in der Innenstadt wohnenden Potsdamer“, sagte Wolfgang Cornelius, Chef der Händlervereinigung AG Innenstadt, am Freitag auf PNN-Anfrage. Händler litten unter vermehrten Ladendiebstählen. Es gehe dabei nicht nur um Waren, sondern auch um Bargeld aus der Kasse. Die Diebstähle wirkten oft organisiert durchgeführt, so Cornelius weiter: „Dabei lenken einige Personen das Personal ab und der eigentliche Täter wird dann unauffällig aktiv.“
Potsdams Kreischef des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Arndt Gilka-Bötzow, verwies gegenüber den PNN auf das Problem Vandalismus in der Innenstadt. „Die allgemeine Gepflegtheit ist eben nicht gut – und wo eine Schmiererei ist, kommt eine zweite schnell hinzu.“ Händlervertreter Cornelius sagte, selbst „unsere liebevoll mit Bepflanzungen versehenen Tröge an der Hausfront werden immer wieder geplündert. Nicht einmal Pflanzen sind vor Vandalismus sicher.“ Die Lage schade dem Image und der Aufenthaltsqualität der Innenstadt. „Im Gegensatz zu gut überwachten Einkaufscentern sind wir hier auf die Polizei angewiesen.“ Deren Präsenz habe spürbar nachgelassen, kritisierte Cornelius.
Polizei hat auch niedrigere Aufklärunsgquote eingeräumt
Bereits bei der Vorstellung der Kriminalstatistik Ende März hatte die Polizei für Potsdam nicht nur steigende Deliktzahlen, sondern auch eine niedrigere Aufklärungsquote eingeräumt – diese war von 49,3 auf 44,5 Prozent im Jahr 2015 gesunken. Speziell die Zahl der registrierten Diebstähle stieg von 6852 auf 8560 – also um 25 Prozent. Damals hieß es zur Erklärung, unter anderem die Sicherung von Flüchtlingsheimen und einer steigenden Zahl von Demonstrationen habe die Arbeit der im Zuge der Polizeireform schrumpfenden Polizei verkompliziert.
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