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Landeshauptstadt: Unter dem Spielplatz

Stört ein Schulneubau die Totenruhe von Häftlingen der Leistikowstraße? Eine Mahnung, keine Hinweise

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Nauener Vorstadt - Die Vorstellung lässt schaudern. Ein Grundschul-Spielplatz – und im Erdreich darunter Massengräber? Eine Baugrube für einen Grundschul-Neubau – und zutage treten die Gebeine zum Tode verurteilter und erschossener Häftlinge? Genau diese Bilder stellt jetzt der Historiker Peter Hild für den Spielplatz und künftigen Bauplatz der Evangelischen Grundschule in der Großen Weinmeisterstraße in den Raum. Direkt neben dem Spielplatz für die Kinder der ersten bis dritten Klassen befindet sich das ehemalige Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Spionageabwehr Smersch, heute Gedenkstätte Leistikowstraße 1. Die dort ab 18. April dieses Jahres gezeigte neue Dauerausstellung wird auch umfangreich über Todesurteile informieren, die über Häftlinge der Leistikowstraße verhängt wurden. Die Vollstreckung der Urteile fand zumeist im Moskauer Butyrka-Gefängnis statt. „Ein Gefängnis“, argumentiert Hild, „wie die Leistikowstraße“. Auf dem heutigen Spielplatz habe sich nach 1945 der Parkplatz für die Lkws befunden, die die zum Tode Verurteilten wegbrachten. Zum Bahnhof, in einen Steinbruch – oder nirgendwohin? Hild hält es für möglich, dass „die Blauen“, wie die Geheimdienstler wegen der Farbe ihres Mützenbandes genannt wurden, Häftlinge auch vor Ort erschossen und verscharrt haben. Der Bereich sei besonders gesichert gewesen, dort wären die Toten nicht gefunden worden.

Freilich, Schild ist als Vater eines Kindes, das die Evangelische Grundschule auf dem Areal des ehemaligen „Militärstädtchen Nr. 7“ besucht, gegen den Bau eines neuen Grundschul-Gebäudes an der Großen Weinmeisterstraße. Hild will, dass der großzügige Spielplatz erhalten bleibt. Auch finde er den Entwurf für den Schulbau „architektonisch brutal“. Es werde sich als „Fremdkörper“ nicht in die Gegend am Fuße des Pfingstbergs einfügen. Hauptmotiv für seinen Vorstoß, erklärte Hild, bleibe aber „die Wahrscheinlichkeit, dass beim Aushub der Baugrube Tote gefunden werden“. Grabungen hätten dort nie stattgefunden. Auf keinen Fall dürfe die Totenruhe gestört werden.

In der Stadtverordnetenversammlung am Mittwoch dieser Woche verneinte Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp (Bündnisgrüne) die Möglichkeit von Häftlingsgräbern an der Leistikowstraße. Ines Reich, Leiterin der Gedenkstätte in der Leistikowstraße, erklärte gegenüber den PNN, es gebe „keinerlei Hinweise darauf, dass Tote im Umfeld der Gedenkstätte begraben wurden“. Beim Bau etwa des Kellers des neuen Eingangs- und Service-Gebäudes sei nichts gefunden worden. Ein Hinweis auf andere Hinrichtungsorte gibt die Aussage von Hermann Schlüter, einzig Überlebender von vier Schülern des Einstein-Gymnasiums, die 1945 in der Leistikowstraße zum Tode verurteilt wurden. Schlüter sah seine Mitschüler zum letzten Mal in der Zeppelinstraße hinten aus einem sowjetischen Lkw rausschauen... Fuhren sie nach Brandenburg/Havel? Ines Reich erklärte, für die Zeit zwischen 1950 und 1955 sei relativ sicher, dass die Häftlinge in Moskau erschossen und auf dem Donskoje Friedhof verscharrt wurden. Zwischen 1947 und 1950 war die Vollstreckung von Todesurteilen ausgesetzt. Doch zwischen 1945 und 1947 „haben wir keine Erkenntnisse, wo die sterblichen Überreste geblieben sind“. Es gebe darüber „nur Aktensplitter“; es sei „ein schwieriges Thema“.

„Wir haben keinerlei Anhaltspunkte“, sagte Frank Hohn, Vorstandsvorsitzender der Hoffbauer-Stiftung und Bauherr der neuen Schule. Sollte es einen qualifizierten Hinweis auf Gräber geben, ein Dokument etwa, „werden wir sofort reagieren“. Ansonsten soll „zeitnah“, noch 2012, mit dem Bau begonnen werden. „Wir haben die Baugenehmigung, die Finanzierung steht“, erklärte Hohn. Für den Fall, dass wider Erwarten beim Ausheben der Baugrube etwas gefunden wird, „reagieren wir als kirchliche Einrichtung natürlich adäquat“, versicherte Hohn.

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