Landeshauptstadt: Unter der Maske des Maskulinen
„Manne e.V.“ will Menschen helfen, die Probleme haben, aber oft wenig davon wissen wollen – den Männern
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„Manne e.V.“ will Menschen helfen, die Probleme haben, aber oft wenig davon wissen wollen – den Männern Als erste Menschen betraten sie den Mond. Sie erfanden das elektrische Licht, um uns aus der Dunkelheit zu führen und sie bauten die Eisenbahnen, um Lasten zu transportieren. „It''s a Man''s World“, dies ist eine Männerwelt, erkannte die Soullegende James Brown. Männer verdienen Geld, um etwas von anderen Männern zu kaufen. „Männer sind auch Menschen“, singt Herbert Grönemeyer und sie sind „furchtbar schlau“. Männer kennen keine Probleme – nur Lösungen. Sie haben doch alles im Griff. „Ja“, meint Peter Moser, Gründer des Potsdamer Vereines Manne e.V., „erst mit 40 weiß er dann, dass dies nicht so ist“. Dass Männer alles können, ist ein Mythos, sagt der Vater dreier Kinder. 1997 erkannte eine Gruppe von Potsdamer Männern, freundschaftlich miteinander verbunden und teils auch sozialwissenschaftlich am Phänomen Mann interessiert, dass Männer Hilfe brauchen – und zwar von Männern. Die Träger des Y-Chromosoms litten häufiger als Frauen unter psychosomatischen Krankheiten, sie hätten schlechtere schulische Leistungen und eine höhere statistische Wahrscheinlichkeit, Opfer wie Täter einer Straftat zu werden. Zentrale Frage deshalb für Manne-Gründer Moser: „Wie können wir besser für uns sorgen?“ Auch: „Wie finden wir Männer nicht-gewalttätige Lösungswege für Probleme?“ Manne-Mitglied Uwe Rühling nennt es problematisch, dass Jungen fast ausschließlich von Erzieherinnen betreut werden. Das sei ein Grund dafür, dass Heranwachsende die Männer oft nur in traditionellen sozialen Rollen wahrnehmen, als Polizist, als Traktorfahrer, als Stahlarbeiter. Doch diese Männerrollen sind kaum noch zu realisieren. In Potsdam, eine Dienstleistungs- und Verwaltungsstadt ohne Schwerindustrie, arbeiten die meisten Männer an Schreibtischen. In einer plüschigeren Welt wissen Männer nicht wohin mit ihrer Kraft. Sie haben Berührungsängste untereinander, sagt Moser. Sie müssen Boxen oder Fußballspielen, um sich mal in den Arm nehmen zu können, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, schwul zu sein. Dabei könnte Mannsein wirklich soviel mehr sein als „Bier zu saufen“, sagt Moser. Es gibt Fußballstars, die sich pflegen, David Beckham zum Beispiel, ein Vorreiter. „Aber es braucht Mut, um aus den traditionellen Männerrollen auszubrechen“, meint Rühling. Und es gibt auch kaum einen anderen Weg: Längst sind die Männer nicht mehr die alleinigen Ernährer der Familie, in der Dienstleistungsgesellschaft bringen nicht selten die Frauen das Geld nach Hause. „Es gibt sogar schon Soldatinnen“, fasst Moser die sozialen Entwicklungen der Arbeitswelt und des Geschlechterverhältnisses zusammen. Männer, die dadurch ihre Männlichkeit abgewertet sehen, erhöhen oft ihren Wert, in dem sie andere Menschen abwerten und diskriminieren – Ausländer, Schwule, jedwede Andersartigkeit jenseits des Mittelmaßes. In dieser Situation setzen die Mannen von Manne e.V. an: „Für bestimmte Fragen ist für Männer ein geschützter Raum nötig. Sobald eine Frau mit dabei ist, spielt eine andere Dynamik eine Rolle“, so Uwe Rühling. Der Verein unterteilt sein Wirken in Männerarbeit, Jungenarbeit und Weiterbildung für Lehrer und Erzieher. Eine institutionelle Förderung, ähnlich wie Frauenberatungsstellen, erhält der Verein nicht. Moser: „Wir verkaufen Fortbildungen.“ Für eine Einzelberatung muss der Mann in die eigene Tasche greifen, für Exkursionen mit Jungen erhebt Manne e.V. Teilnehmergebühren. Für die Zeit des Übergangs vom Jungen zum Mann bietet der Verein die „Phönixzeit“ an – „ähnlich der Konfirmation oder der Jugendweihe“, erklärt Peter Moser. Sie geht vom Frühling bis zum Herbst, die Jungen im Alter von zwölf bis 15 Jahren werden durch erwachsene Männer beraten. Sie selbst haben die Aufgabe, sich für diese Zeit einen Paten aus ihrem eigenen Umfeld zu suchen. Auf Exkursionen übernachten die Jungen auch mal unter freiem Himmel. „Über Angst spricht man am Besten, wenn man welche hat“, so Moser. Es sei gut für Jungen, zu erfahren, dass es anderen auch so geht wie ihnen. Unter normalen Familienverhältnissen, noch häufiger bei alleinerziehenden Müttern von Söhnen, „wird der erste Samenerguss eigentlich gar nicht besprochen“, meint Moser. Im vergangenen Jahr hat Manne e.V. die Phönixzeit zum ersten Mal angeboten, neun Jungs nahmen teil, „eine gute Resonanz“, findet der Vereinschef. Beim Projekt „Liebesschule“, das der Verein zusammen mit der freien Schule in Potsdam initiierte, fahren Mädchen und Jungen gemeinsam in die brandenburgische Natur, unternommen werden gemeinsame Paddeltouren, übernachtet wird zumeist auf Campingplätzen. „Die Liebesschule verbindet klassischen sexualpädagogischen Unterricht mit Erlebniselementen“, erklärt Uwe Rühling. Zum Klientel des Vereins gehören auch Väter. Häufig ihr Wunsch: „Ich will nicht mehr, dass mir der Kragen platzt!“ Oft brauchen gestandene Männer Rat bei Beziehungsproblemen. Vereinsgründer Moser berichtet von einem Bauarbeiter, einem Baum von einem Kerl, der eines Tages wutschnaubend im Büro stand und nicht weiter wusste. Seine Frau wollte sich von ihm trennen. Der Grund: Der hart arbeitende Vater war zu selten zu Hause. Mit anderen Worten: Er litt an einem Problem, über das viel häufiger die Frauen klagen – an der Doppelbelastung durch die Anforderungen von Familie und Beruf. Der Rat für den Mann: Es muss nicht unbedingt der Mann sein, der das Geld nach Hause bringt. Aber so etwas zu dürfen, muss ein Mann sich erst einmal erlauben zu denken. Weiteres im Internet unter: www.mannepotsdam.de
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