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Unter einem Dach: In den Gemeinschaftsunterkünften haben Flüchtlingsfrauen oft wenig Intimsphäre – obwohl die Mindeststandards in Potsdam eingehalten werden.

© dpa.

Landeshauptstadt: Unter Männern

Die Zahl der Flüchtlingsfrauen in Potsdamer Unterkünften steigt. Sie leiden oft besonders unter der Enge

Von Katharina Wiechers

Stand:

Rund 500 Frauen leben derzeit in Potsdams Flüchtlingseinrichtungen, sie machen etwa 40 Prozent der Bewohner aus. Oft leiden sie besonders unter der Situation in den Gemeinschaftsunterkünften, an der mangelnden Intimsphäre, der fehlenden Kinderbetreuung oder sogar unter gewalttätigen Übergriffen. Und die Zahl der Flüchtlingsfrauen in Potsdam steigt: Lag ihr Anteil unter den Ankommenden 2015 noch bei knapp 30 Prozent, ist er 2016 auf etwa 45 Prozent gestiegen. Wir geben einen Überblick, wie die Situation für Flüchtlingsfrauen in Potsdam ist und was für sie getan wird.

Die Situation in den Unterkünften

Fast alle Flüchtlinge, Frauen wie Männer, landen nach ihrer Ankunft in Potsdam zunächst in einer der 13 Gemeinschaftsunterkünfte – die größte ist mit derzeit rund 400 Bewohnern der ehemalige Landtag auf dem Brauhausberg. Dort, wie auch in den anderen Einrichtungen, sind die sanitären Anlagen nach Geschlechtern getrennt. Falls möglich, werden Familien und allein reisende Männer auch in unterschiedlichen Gebäudeteilen untergebracht. Die Mindestbedingungen zum Schutz der Intimsphäre würden in Potsdam eingehalten, so das Urteil der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt, Martina Trauth-Koschnick. „Allerdings bleibt eine Gemeinschaftsunterkunft eine Gemeinschaftsunterkunft mit all den Nachteilen, die eine solche Unterkunft mit sich bringt.“ So sei etwa das Bad oft nur über einen gemeinsamen Flur zu erreichen. Nur eine Unterkunft in Potsdam ist ganz für Frauen und Kinder reserviert, die vom Verein Soziale Stadt betriebene Wohngemeinschaft in der Hegelallee. Als reine Familienunterkunft war einst auch der alte Landtag geplant, doch seit die Leichtbauhalle an der Sandscholle in Babelsberg geschlossen wurde, leben hier auch knapp 100 allein reisende Männer. Allerdings haben Frauen dort nicht nur eigene Sanitärbereiche, es gibt auch sogenannte Familienküchen, die durch Trennwände von den „Männerküchen“ abgeschirmt sind. So werden die Frauen vor Übergriffen geschützt und kommen nicht in Verlegenheit, mit fremden Männern in einem Raum zu sein – eine Situation, die es in vielen Kulturen zu vermeiden gilt. Am Brauhausberg sind auch die Wohnräume der Männer in einem anderen Gebäudetrakt untergebracht – wegen der Größe des Hauses ist das dort im Gegensatz zu anderen Einrichtungen möglich.

Mutter-Kind-Deutschkurse

Flüchtlingsfrauen sind oft auch Mütter von kleinen Kindern, was zum Integrationshemmnis werden kann. Denn während Männer Deutschkurse besuchen oder sich nach einem Job umsehen, müssen viele Frauen sich um die Kinder kümmern. Deshalb bieten Ehrenamtliche spezielle Mutter-Kind-Deutschkurse für Frauen an, bei denen auch für die Betreuung der Kleinen gesorgt ist. Einer davon findet im Treffpunkt Freizeit statt, und auch die Initiative Neue Nachbarschaften in Groß Glienicke hat ein Angebot auf die Beine gestellt. Kein Deutschkurs, aber ebenfalls ein ehrenamtliches Angebot speziell für Frauen, ist der Gesprächskreis „Frauen treffen Frauen“, den die Flüchtlingshilfe Babelsberg in der Unterkunft am Brauhausberg ins Leben gerufen hat.

Spezielle Beratungsangebote

Eine nur auf Flüchtlingsfrauen ausgerichtete Beratungsstelle gibt es bislang in Potsdam nicht – auch wenn das aus Sicht der Gleichstellungsbeauftragten Trauth-Koschnick wichtig wäre. Die Aufklärung über häusliche und sexualisierte Gewalt sei notwendig, „zumal viele Flüchtlingsfrauen aus Ländern kommen, wo die Rolle der Frau gesellschaftlich eine wesentlich andere ist als in Deutschland“, so ihre Einschätzung. Ein entsprechendes Konzept hat bereits das Autonome Frauenzentrum Potsdam ausgearbeitet. Ziel sei es, die Frauen direkt in den Unterkünften zu erreichen, so Mitarbeiterin Heike Kottwitz.

Die Hürde, eine Beratungsstelle außerhalb aufzusuchen, sei nicht zuletzt wegen der mangelnden Sprachkenntnisse oft sehr hoch. Geplant sei, regelmäßige Frauentreffs in den Einrichtungen zu etablieren. Dort könnten die Frauen mit Mitarbeitern des Frauenzentrums über Themen wie Gesundheit oder Kindererziehung, aber auch über häusliche Gewalt ins Gespräch kommen.

Momentan werde noch an der Finanzierung des Angebots gearbeitet, so Kottwitz. Bereits erarbeitet wurde aber – gemeinsam mit der Stadt und anderen Institutionen – ein Anti-Gewalt-Flyer, der sich speziell an Frauen in Gemeinschaftsunterkünften richtet. Dort wird über die verschiedenen Arten von Gewalt und die Rechte von Frauen hingewiesen. Außerdem sind eine Reihe von Beratungsstellen aufgelistet, etwa der Beratungsfachdienst für Migranten der Diakonie, die Frauenberatungsstelle in der Nansenstraße, die Opferberatung in der Jägerstraße oder das Frauenhaus Potsdam. Die Gleichstellungsbeauftragte Trauth-Koschnick verweist außerdem noch auf das Beratungshaus Lindenstraße, in der das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk Schwangeren- und Familienberatungen anbietet. Ein „Familienbildungs- und Informationszentrum“ unterhält hingegen der Internationale Bund (IB) in der Dortustraße. Für junge weibliche Flüchtlinge gibt es seit einigen Monaten außerdem ein Angebot am Schlaatz. Die „Zimtzicken“, ebenfalls ein Projekt des Autonomen Frauenzentrums, laden jeden Freitag zur „Multikulturellen Mädchengruppe“.

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