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Von Henri Kramer: Unternehmen suchen Lehrlinge

In Potsdam sinkt die Zahl der Bewerber für eine Ausbildung – besonders kleinere Firmen sind betroffen

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In Potsdam haben immer mehr, vor allem kleinere Unternehmen immer größere Schwierigkeiten, ihre freien Ausbildungsstellen mit jungen Leuten zu besetzen – ein Name hinter dieser Nachricht ist Burkhard Scholz. Der Inhaber des Inselhotels auf Hermannswerder sucht „händeringend“ nach vier Jugendlichen aus der Region, die in seinem Haus eine Lehrstelle als Hotelfachfrau oder Koch besetzen wollen – doch Scholz findet niemand. „Mit den Jahren ist die Zahl der Bewerber rapide gesunken – und viele von ihnen besitzen die falschen Vorstellungen über das Berufsleben oder viel zu schlechte Zeugnisse“, sagt Scholz und zählt Dinge auf, die eine Ausbildung im Hotelwesen unmöglich machen, er aber bei Bewerbern erlebt: Dreckige Fingernägel, Umgangsformen ohne die Wörter „Bitte“ und „Danke“, Rechenschwäche ...

Das Problem, nicht genügend und geeigneten Nachwuchs zu finden, hat die Potsdamer Arbeitsagentur gestern zusammen mit den hiesigen Kammern für Handwerk (HWK) sowie Industrie- und Handel (IHK) in mehreren Statistiken präsentiert. Demnach hat es im Gebiet der Hauptagentur Potsdam – das Umland der Landeshauptstadt gehört dazu – im vergangenen Ausbildungsjahr 1333 Bewerber gegeben, besonders wegen des demografischen Wandels 464 oder 25,8 Prozent weniger als ein Jahr vorher. 1996 gemeldete Azubi-Stellen waren für die jungen Leute vorhanden, 1207 davon in Unternehmen: Auf zwei Bewerber entfielen so rund drei Plätze. „Das Verhältnis von Bewerbern und Angeboten ist in der Region bisher einmalig“, sagte Agentursprecherin Isabell Wolling. Und immer noch seien viele Stellen vakant – die Unternehmen der IHK beispielsweise bieten in der Region 342 Lehrstellen, die HWK gar 404 an.

Die Statistiken der Kammern und der Agentur gelten als wichtiges Indiz für Trends im Lehrstellenmarkt, sind jedoch wegen der fehlenden Meldepflicht für offene und vermittelte Ausbildungsstellen nicht immer ganz genau. Ein Beispiel: Das Autohaus Sternagel in der Gerlachstraße, das von der HWK gestern auf PNN-Anfrage als Betrieb mit noch acht unbesetzten Ausbildungsstellen genannt wurde. Doch diese Plätze als Auto-Kaufmann oder -Mechatroniker seien inzwischen vergeben worden, sagte Vize-Chefin Janett Nickel – und schränkte gleich darauf ein: „Doch zwei Azubis sind schon wieder weg.“ Generell bestehe das Problem, dass sich für eine Ausbildung von Jahr zu Jahr weniger Jugendliche interessieren würden – und dazu deren Qualifikation sinke. „Ich bekomme Bewerbungen, die hätte ich mir früher nicht angesehen.“

Von ähnlichen Erfahrungen berichtete gestern Carola Prozies, die für die Filialen der Bäckerei Steinicke in Potsdam und Umgebung verantwortlich ist. Bisher konnte die Bereichsleiterin nur vier der aktuell neun Azubi-Stellen zur Bäckereiverkäuferin besetzen. „Wir haben sogar auf unsere Einkaufstüten gedruckt, dass wir Lehrlinge suchen“, sagte Prozies. Für ihr Unternehmen nannte sie auch die Arbeitszeiten am Wochenende als einen Grund dafür, dass Bewerber abgeschreckt würden: „Und das obwohl wir versuchen, jeden Auszubildenden zu übernehmen.“

Weniger Sorgen als solche mittelständigen Firmen haben offensichtlich noch die größeren Unternehmen. Auf Anfrage der PNN antworteten gestern sowohl die Mittelbrandenburgische Sparkasse als auch die kommunalen Stadtwerke und das Klinikum „Ernst von Bergmann“ unisono: Zwar seien in manchen Bereichen die Bewerbungen und auch deren Qualität gesunken, aber bis auf Einzelfälle würden noch alle Stellen besetzt. Ein Grund dafür sei das Image der Firmen, das etwa auf Ausbildungsmessen präsentiert werden könne. Stadtwerke-Sprecher Stefan Klotz sagte, „bei solche Anlässen haben wir schon oft junge Leute für uns interessieren können“.

Doch nicht jeder kleinere Betrieb kann bei solchen Messen immer vor Ort sein. Hotelier Scholz zumindest verweist auf Ferien-Praktika, die er in seinem Haus auf Hermannswerder anbietet. Doch wirklich zuversichtlich klingt er nicht. „Die guten Azubis“, sagt Scholz, „die sind doch sowieso in die Schweiz oder nach Österreich gegangen – wegen des höheren Lohns.“

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