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Landeshauptstadt: „Unterrichtsausfall hat unerträgliches Maß erreicht“ Potsdamer Bildungsbündnis demonstriert gegen Lehrermangel und sieht das Land in der Pflicht

Frau Wissig, das Potsdamer Bildungsbündnis ruft am Samstag, dem 12. Mai, zu einer Demonstration auf dem Luisenplatz auf.

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Frau Wissig, das Potsdamer Bildungsbündnis ruft am Samstag, dem 12. Mai, zu einer Demonstration auf dem Luisenplatz auf. Um 11.13 Uhr soll es losgehen. Was hat es damit auf sich?

Das hängt mit unserem Motto zusammen: Jetzt schlägt’s 13! Damit wollen wir deutlich machen, dass der Unterrichtsausfall an Schulen im Land Brandenburg ein unerträgliches Maß erreicht hat.

Die Kundgebung soll um „fünf vor zwölf“ enden. Das ist nicht gerade lang. Warum zieht das Bildungsbündnis nicht quer durch die Innenstadt?

Wir wollen kein tagesfüllendes Programm aufstellen. Uns kommt es darauf an, dass möglichst viele Leute an einem zentralen Ort wie dem Luisenplatz in Potsdam zusammenkommen, um auf den Personalmissstand aufmerksam zu machen. Wir rufen deshalb alle Schüler, Eltern, Lehrer und engagierte Bürger zur Teilnahme auf. Bildung darf nicht ausfallen.

Stellen Sie sich damit gegen die Politik der Landesregierung?

Das Bildungsbündnis Potsdam ist parteiunabhängig. Uns geht es um das Thema Bildung. Auch im Land Brandenburg muss der Bildungsauftrag erfüllt werden – das zählt zu den Aufgaben der jeweils regierenden Parteien.

Sie sagen, an den Schulen fallen zu viele Unterrichtsstunden aus. Was sind ihre wichtigsten Kritikpunkte?

In Brandenburg gibt es eine Vertretungsreserve in Höhe von drei Prozent der Lehrerstellen. Die wird allerdings schon aufgebraucht, um die langzeitkranken Lehrer zu ersetzen. Die Vertretungsreserve ist nicht ausreichend und zu starr. Hier muss das Land einfach mehr tun.

Die Stadt Potsdam hat im laufenden Schuljahr mit eigenen Mitteln einen Lehrerersatzpool aufgestellt. Was halten Sie davon?

Die Erfahrung ist sehr positiv. Mit den 70 000 Euro der Stadt konnten bei kurzfristigem Bedarf Vertretungsstunden organisiert werden. Und die Lehrer aus dem Bestand wurden nicht überlastet. Allerdings galt das nur für die Grundschulen in Potsdam. Dort hat sich durch den Lehrerersatzpool die Menge des Unterrichtsausfalls deutlich reduziert. Leider wird die Maßnahme nicht fortgesetzt.

Wie beurteilen Sie das? Sollte die Stadt nicht dabei bleiben, wenn sich der Lehrerersatzpool bewährt?

Die guten Erfahrungen mit dem Lehrerersatzpool zeigen, was mit so einem Instrument erreicht werden kann. Dass die Stadt das nicht fortführen kann, ist jedoch verständlich. Der Oberbürgermeister hat deutlich gemacht, dass die Stadt nicht dauerhaft Personal für die Schulen finanzieren kann. Bildung ist Aufgabe des Landes. Aber das Potsdamer Modell könnte auf Landesebene ein Vorbild sein.

Ein dauerhaftes Engagement der Kommunen wäre für sie keine Lösung?

Nein. Das würde dazu führen, dass Schulen in ärmeren Kommunen weiter benachteiligt werden. Nur die reicheren Städte und Gemeinden könnten sich einen Ersatzpool leisten. Die Schere im Land würde weiter auseinandergehen.

Auf den Unterrichtsausfall hat das Land auch damit reagiert, dass mehr Lehrer eingestellt werden. Ist das nicht genug?

Zwar werden mehr Lehrer eingestellt als in den vergangenen Jahren, aber das reicht nicht aus. Die Anzahl der Lehrer, die die Brandenburger Schulen aus Altersgründen verlassen, ist jedoch höher. Und wenn man sich den Altersdurchschnitt des Personals an den Schulen anschaut, zeichnet sich ab, dass es in den nächsten Jahren so weitergeht. Dazu kommen noch Lehrer, die aus gesundheitlichen Gründen aufhören oder in andere Bundesländer abwandern. Derzeit werden in Brandenburg 450 Lehrer ausgebildet. Das ist nicht genug.

Wie soll das Land das schaffen? Der Landeshaushalt muss bis Ende des Jahrzehnts um 20 Prozent schrumpfen, würde ihnen der Finanzminister entgegnen.

Es ist nicht Aufgabe der Eltern, ein bildungspolitisches Konzept aufzustellen. Dafür gibt es Ministerien. Wenn Handlungsbedarf besteht, muss sich die Landesregierung kümmern. Der Unterrichtsausfall an unseren Schulen ist kein Einzelfall, sondern ein Dauerzustand. Das ist die Aufgabe, der sich die Landesregierung stellen muss.

Inklusion – also das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Handicap in derselben Klasse – ist derzeit ein wichtiges Thema an den Schulen. Wirkt sich das auf den Unterrichtsausfall aus?

Eher umgekehrt: Der Lehrermangel arbeitet dem Anliegen der Inklusion entgegen. Die Förderlehrer, die zusätzlich an die Schulen kommen, werden benutzt, um kurzfristig Unterrichtsstunden zu vertreten. Der Förderunterricht – auch für die hochbegabten Schüler – bleibt so auf der Strecke. Das ist schlecht für die Chancen der Kinder.

Das Interview führte Marco Zschieck

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