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Landeshauptstadt: Unterwegs mit Bundesumweltminister Jürgen

Umweltschützer auf Booten und verwirrte Pressesprecher – am Rande der Tagung von G 8-Umweltministern

Stand:

Punkt 10.55 Uhr werden die Journalisten hektisch. Auf dem Jungfernsee am Neuen Garten hat ein Schiff der Umweltorganisation Greenpeace mehrere Schlauchboote abgesetzt, die Richtung Ufer und Cecilienhof fahren. Die Polizisten auf der Wiese zwischen Havelufer und dem Tagungsort des G8-Umweltminister-Treffens bleiben allerdings ruhig. Und ein Rentnerpärchen bleibt verwundert stehen: „Was ist denn hier los?“ Kaum einer der normalen Passanten scheint an diesem Vormittag zu wissen, dass in dem Schloss die Umweltminister der acht wichtigsten Industrienationen und von fünf Schwellenländern über Wege zu mehr Umweltschutz beraten.

Umso stärkere Aufmerksamkeit erregen die Aktivisten von Greenpeace. Am Ufer angekommen entrollen die mit gelben Windjacken bekleideten jungen Frauen und Männer zwei ebenso gelbe Transparente. „G8 – Genug geredet – Klimaschutz jetzt!“, steht mit großen Buchstaben darauf, in deutsch und englisch. So bleiben sie stehen. Jörg Feddern und Tobias Münchmeyer, zwei der Umweltschützer, sprechen unentwegt in die ihnen entgegen gehaltenen Mikrofone. „Wir fordern Deutschland auf, seine Treibhausgase ohne Bedingungen bis 2020 um 40 Prozent zu verringern – damit die Schwellenländer ein deutliches Signal sehen, um sich selbst weiter anzustrengen“, sagt Feddern. Solche Forderungen möchte er auch an die Minister stellen, die gerade tagen. Eine Petition von Greenpeace hat er gleich mitgebracht.

Doch bis er das Papier an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel übergeben darf, wird es noch vier Stunden dauern. Nach dem großen Auflauf herrscht erst einmal Ruhe. Die Plakathalter bleiben stehen. Ein älterer Mann aus einer vorbeikommenden Reisegruppe ruft „Bravo“.

Die meisten der rund 100 Journalisten hören ihn nicht mehr, weil es ab 11.30 Uhr Mittagessen in der nahe gelegenen Meierei gibt: Das Bundesumweltministerium hat keine Kosten für die Konferenz gescheut. Dazu sind dutzende Polizisten quer über das Gelände verteilt, die jeder Touristengruppe geduldig erklären, dass sie sich heute den Cecilienhof nur von außen ansehen können. „Da sind wir nun zwei Kilometer gelaufen und dann so etwas“, beschwert sich eine ältere Dame zu ihrem Mann.

Im Innenhof des alten Baus herrscht inzwischen Unruhe. Auf 12.45 Uhr ist eine Pressekonferenz angesetzt, bei der Minister Gabriel über die bisherigen Ergebnisse informieren möchte. Doch der Termin verzögert sich. Genervte Blicke auf die Uhren. Als eine halbe Stunde später Gabriel sowie Achim Steiner, der Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), den Saal betreten, ist die Atmosphäre gespannt. Doch da kommt der Auftritt von Pressesprecher Michael Schoeren. „Ich darf ihnen vorstellen: Bundesumweltminister Jürgen “, sagt er und erntet eine Lachsalve. Sigmar Gabriel fasst sich kurz gegen die Stirn, als der Vorname seines Amtsvorgängers Jürgen Trittin fällt. Doch schnell hat er die Fassung wieder und scherzt: „Ich brauche wohl einen neuen Pressesprecher.“

Dann wird Gabriel ernst. Er spricht davon, dass jeden Tag weltweit 150 Tierarten aussterben: „Das ist die tausendfache Geschwindigkeit im Vergleich zu früheren Zeiten.“ So stünden 46 Prozent aller Fischarten vor dem Exodus, in wenigen Jahrzehnten könnte deswegen kommerzieller Fischfang in der heutigen Form nicht mehr betrieben werden – mit allen Folgen. So hätten sich die großen Industrie- und Schwellenländer verpflichtet, den Artenschwund so schnell wie möglich zu stoppen. Dazu habe man eine „Potsdamer Initiative“ beschlossen, sagt Gabriel. Sie sieht nach seinen Worten eine Studie über die wirtschaftlichen Folgen des Artensterbens sowie einen Bericht über den Stand der weltweiten Vernichtung von Tieren und Pflanzen vor. Denn 40 Prozent des Welthandels basierten auf solchen natürlichen Grundlagen. „Wenn die Gesellschaften und Staaten durch die Analysen merken, dass sie die Basis ihres Wohlstands verlieren, wächst mit der Angst davor die Bereitschaft zu investieren.“ Die Mechanismen der Marktwirtschaft sollen nach seinen Worten den Umweltschutz voranbringen.

Mit dieser Meinung erregt er später den Widerspruch von Greenpeace-Aktivist Feddern, der vor dem Cecilienhof gewartet hat. Er will, dass Deutschland einseitig noch ehrgeizigere Klimaziele beschließt. Gabriel verneint: „Wir brauchen einen internationalen Vertrag.“ Und: Man könne keiner anderen Nation etwas aufzwingen. Hitzige Diskussionen. Schließlich geht Gabriel wieder.

Noch weniger gegenseitiges Verständnis herrscht in Sanssouci. Dort führt Gabriel am Nachmittag alle Minister zur Terrassentreppe. Fotografen warten schon für das Gruppenbild. Plötzlich aber erheben junge Leute vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland ihre Stimmen zu Parolen: „Falsche Freunde für das Klima, stoppt G8“. Herbeieilende Polizisten drängen sie zurück. Gabriel entschuldigt sich: „Ich habe den ausländischen Ministern gesagt, dass sie nicht persönlich gemeint waren, sondern die G8 als Institution.“ Die jungen Leute tauchen später in der Innenstadt auf, sitzen mit Badesachen und Strandutensilien in der Brandenburger Straße. Sie ernten erstaunte Blicke, doch für ihre Flugblätter scheinen sich nur wenige Passanten zu interessieren. Die Umweltminister und ihr Treffen – so scheint es – stoßen nur bei ihren erklärten Gegnern auf viel Interesse.

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