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Was die Mauerspechte schufen: Platz für Blumen am Gedenktag.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: „Unterworfene wurden zu Bürgern“

Gedenkstätte Griebnitzsee: Nur wenige Menschen erinnerten an den Mauerfall vor 21 Jahren

Stand:

Babelsberg - Es war keine große Gruppe, die sich gestern an den Mauerresten am Griebnitzsee traf, um des Mauerfalls am 9. November vor 21 Jahren zu gedenken. Der Bürgerrechtler Manfred Kruszek nannte die Mauerreste „das, was von der DDR übrig geblieben ist“ und erinnerte daran, wie wenig selbstverständlich es war, die Mauerreste unweit der Stubenrauchstraße als Gedenkort zu erhalten. Der Mauerbau 1961 war „die Bankrotterklärung der DDR“, so Kruszek. Die Mauer und ein ausgeklügeltes Spitzelsystem seien nötig gewesen, das DDR-Volk zwangsweise zusammenzuhalten. Doch die Angst sei im Herbst 1989 überwunden worden: „Unterworfene wurden zu Bürgern“.

Kruczek erinnerte daran, dass nicht die großen Städte im Herbst 1989 Wendevorreiter waren. Was erst in den letzten Jahren ins allgemeine Bewusstsein dringt: In Plauen in Sachsen gingen bereits am 7. Oktober 1989 über 20 000 Bürger auf die Straße – die erste Großdemonstration in der früheren DDR, die von den Sicherheitskräften nicht mehr aufgelöst werden konnte. Silvana Hilliger, Referentin der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe, erklärte, dass die erste Besetzung einer Stasi-Zentrale in Rathenow erfolgte – acht Minuten vor Erfurt. Für Silvana Hilliger ist der 9. November der „Tag der Selbstermächtigung des DDR-Volkes“. Für sie ist es der Tag, an dem die Menschen ihre Sprache wieder gefunden haben. Zur Erinnerung an die Opfer der deutsch-deutschen Grenze las sie gestern Auszüge aus Stasi-Dokumenten, in denen berichtet wird, wie der Mutter eines bei einer versuchten Republikflucht am 8. Dezember 1979 getöteten 15-jährigen Schülers die Todesnachricht überbracht wurde, nachdem sie Tage lang über das Schicksal ihres Jungen im Unklaren gelassen worden war.

Der Name der betroffen Familie ist in der Akte aus Datenschutzgründen geändert worden. „Wir wissen nicht, wie es der Familie heute geht“, so die Mitarbeiterin von Ulrike Poppe. Oft seien die Folgen der Diktatur noch heute spürbar, das hätten auch die über 500 seit der Gründung des Poppe-Büros geführten Gespräche mit Betroffenen gezeigt.

An den Griebnitzsee kam gestern auch Detlef Grabert aus Strausberg. Er erinnerte an den Strausberger Michael Gartenschläger, einem Fluchthelfer, der bei einem Versuch, Selbstschussanlagen an der Mauer abzumontieren von einem Stasi-Kommando erschossen worden war. Dessen Name werde in Strausberg – regiert „von der drei Mal gewendeten SED“ – völlig vergessen. Grabert: „Schön, dass wir heute frei reden können und sagen dürfen, was wir denken.“

An die Mauergedenkstätte kamen gestern auch Horst Schüler, Ehrenvorsitzender der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, und die Landtagsabgeordnete Linda Teuteberg (FDP). Der Opfer der Mauer wolle sie nicht nur an den runden Jubiläen gedenken, sagte sie. gb

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