zum Hauptinhalt
Verärgert nach Asturien. Potsdams Weltmeisterschafts-Dritter Sebastian Brendel darf bei den EM nur den Einercanadier über 1000 Meter für Deutschland paddeln.

© dpa

Von Michael Meyer: Unzufrieden nach Asturien

Potsdams Kanute Sebastian Brendel ärgert sich über nur einen EM-Start jetzt in Trasona, wo auf einer international neuen Regattastrecke zwei Potsdamer auch die Premiere über 5000 Meter bestreiten werden

Stand:

Sebastian Brendel wirkte leicht verärgert. Nicht darüber, dass er am Mittwoch mit den anderen deutschen Rennkanuten schon früh um halb vier aus dem Trainingslager Kienbaum nach Berlin-Tegel fahren musste, weil der Flieger nach Spanien bereits um sechs Uhr abhob. Der Paddler des KC Potsdam ist ungehalten darüber, dass er bei den am morgigen Freitag beginnenden Europameisterschaften der Rennkanuten in Trasona nur den Einercanadier über 1000 Meter fahren darf. „Ich bin unzufrieden damit, dass ich als bester Deutscher im Einercanadier nur auf dieser einen Strecke starten darf“, sagte Brendel vor dem Abflug. „Ich bin in Deutschland auch der Schnellste im 500-Meter-Einer, den ich jetzt in Spanien aber nicht fahren darf.“ Statt seiner wird der Essener Tomasz Wylenzek die nichtolympische 500-Meter- Strecke paddeln.

Brendel, der sich „gut in Form“ fühlt und im 1000-Meter-C1 zu den Medaillenanwärtern zählt, hatte im EM-Vorfeld Schützenhilfe vom Potsdamer Teammanager Torsten Gutsche und von seinem Heimtrainer Ralph Welke erhalten. „Wir haben gegenüber dem Deutschen Kanu- Verband unseren Unmut darüber zum Ausdruck gebracht, dass Basti, der beide Strecken fahren wollte, über 500 Meter nicht antreten darf“, erläuterte Welke, der in diesem Zusammenhang Wylenzek kritisierte. „Tomek hat sich nicht sehr positiv gegenüber den anderen Kanuten verhalten. Er hat erklärt, in diesem Jahr keinen Zweiercanadier fahren zu wollen, womit er auch Erik Leue – mit dem er im vergangenen Jahr C2-Weltmeister über 1000 Meter wurde – verprellt hat. Und nun bekommt er seinen Willen durchgesetzt, den Einer fahren zu wollen, obwohl er hier nicht der beste Deutsche ist.“

Chefbundestrainer Reiner Kießler scheint die Aufregung der Potsdamer nicht nachvollziehen zu können. „Wenn man, wie Sebastian Brendel, den Sprung in die Weltmeisterschafts-Mannschaft geschafft hat, sollte man sich auf die olympische Strecke konzentrieren. Er hat sich mit seinen bisherigen Erfolgen in diesem Jahr nicht Startplätze für bestimmte Strecken, sondern für die WM erkämpft“, sagte der 58-Jährige. „Die 500 Meter gibt es im C1 praktisch nicht mehr, darum sollte er sich bei den EM nicht mit Vor- und Zwischenläufen auf dieser Strecke belasten, sondern ganz auf die 1000 Meter konzentrieren.“ Außerdem sei vorgesehen, die Kanuten, die sich 2010 noch nicht in olympischen Bootsklassen für die WM qualifiziert hätten, bei den EM noch einmal auf nichtolympischen Strecken ihr Leistungsvermögen nachweisen zu lassen, um vielleicht doch noch den Sprung ins WM-Team zu schaffen. „Sollte Tomasz Wylenzek jetzt in Spanien die 500 Meter gewinnen“, ahnt Trainer Welke, „wird es für Sebastian Brendel schwer werden, bei den WM auch dieses Boot zu fahren“.

Zwei weitere Potsdamer werden jetzt in Asturien ebenfalls jeweils nur in einem Boot an den Start gehen – sie allerdings aus freien Stücken: Tim Wieskötter und Ronald Rauhe. Wieskötter will im Viererkajak über 1000 Meter mit den drei Berlinern Marcus Groß, Norman Bröckl und Hendrick Bertz in den Medaillenkampf eingreifen. „Wir sind zuletzt in Kienbaum in der Abstimmung immer weiter vorangekommen und daher guter Dinge“, signalisierte der 31-Jährige. Und Ronny Rauhe konzentriert sich ganz auf den nun olympischen 200-Meter-Sprint im Einerkajak. Überlegungen, mit dem Essener Jonas Ems einen schlagkräftigen Sprint-Zweier zu bilden, wurden (zunächst) zurückgestellt, der wird jetzt von Sören Schust aus Magdeburg und Ems gebildet. „Der Zeitplan bei den EM erlaubt mir keinen Doppelstart im K1 und K2“, erklärte der Vizeeuropameister des Vorjahres im Einer- Sprint, der gestern noch leicht lädiert nach Trasona flog. Beim Fußballspielen im Trainingscamp Kienbaum hatte ihm Sebastian Brendel versehentlich einen dicken Pferdekuss im rechten Oberschenkel verpasst. „Ein paar Probleme bei der Beinarbeit habe ich noch, aber ich bin trotzdem zuversichtlich“, so Rauhe.

Gleich auf zwei olympischen Strecken werden sich Katrin Wagner-Augustin und Fanny Fischer vom KCP mit der internationalen Konkurrenz messen. „Wir sind gut drauf“, meinte Wagner-Augustin, die sich im Einer- und Viererkajak jeweils über 500 Meter vor allem mit den ungarischen Kanutinnen auseinanderzusetzen haben dürfte. „Die Konkurrenz wird stark sein – wir wollen aber trotzdem gewinnen“, sagte die 32-jährige „Mutter der Kompanie“, die den K4 gemeinsam mit Fischer, der ebenfalls in Potsdam lebenden Nicole Reinhardt vom WSV Lampertheim und Tina Dietze aus Leipzig paddeln wird. Fanny Fischer wird außerdem mit Carolin Leonhardt aus Mannheim den deutschen Zweierkajak über 200 Meter bilden. „Wir fahren erstmals gemeinsam und haben in Kienbaum nur drei-, viermal zusammen trainiert“, erzählte die 23-jährige Potsdamerin. „Daher haben wir noch keine nationalen oder internationalen Vergleiche und müssen den EM-Vorlauf abwarten um zu sehen, wie gut unser Boot wirklich läuft.“

Zwei weitere Potsdamer werden bei einer Europameisterschafts-Premiere am kommenden Sonntag für Deutschland starten: Franziska Weber und Ronald Verch paddeln dann im Einerkajak beziehungsweise -canadier die 5000 Meter. „Ich bin die Strecke noch nicht ein Mal am Stück gefahren“, verriet die 21-Jährige, die außerdem im Einer über 1000 Meter antritt. „Auf dem langen Kanten wird nur die Flucht mach vorn helfen, um nach dem Massenstart nicht in Bedrängnis zu geraten“, so Weber. Was auch Verch betont. „Wichtiger als ein schnelles Paddel dürfte auf den 5000 Metern sein, gut um die vielen Wenden zu kommen. Deshalb habe ich die auch schon trainiert. Auf dem langen Kanten könnten neben Technik und Glück auch die Ellenbogen wichtig sein“, erklärte der 22-Jährige, der in Spanien außerdem mit Wylenzek, Chris Wend aus Magdeburg und Erik Rebstock aus Neubrandenburg den deutschen C4 über 1000 Meter fährt.

Trasona erlebt mit den EM jetzt die internationale Feuertaufe. „Das Wasser dort soll ein kleiner, nur einen Kilometer langer See sein“, weiß Katrin Wagner-Augustin vom Hörensagen. „Niemand kennt die Strecke bisher“, bestätigte Chefbundestrainer Reiner Kießler. „Wir werden die Bedingungen dort erst am Donnerstag beim Training kennenlernen“, meinte Sebastian Brendel. Und: „Ich hoffe, meine momentane Unzufriedenheit schlägt sich jetzt nicht in meinen Leistungen nieder.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })