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Jederzeit gut betreut? Eine Petition fordert erstmals Mittel, um Ausfallvertretungen in Kitas zu finanzieren.

© Manfred Thomas

Potsdamer Eltern für bessere Kita-Betreuung: UPDATE Betrüger fälschen Unterschriften bei Kita-Internet-Petition

In Potsdam gehen fast alle Kinder in die Kita. Doch der Betreuungsschlüssel ist einer der schlechtesten bundesweit. Jetzt machen die Eltern Druck, damit sich die Qualität der Kita-Betreuung verbessert.

Stand:

UPDATE

Potsdam - So groß war der Ansturm dann doch nicht: Die von einer neuen Elterninitiative initiierte Internet-Petition für bessere Kita-Betreuung in Potsdam ist manipuliert worden – dadurch erhielt die Initiave knapp 2000 ungültige Online-Unterschriften, die am Freitag gelöscht worden. Darauf machten die Betreiber von „openpetition.de“ aufmerksam. 

Bis Donnerstag hatte die Petition wie berichtet eigentlich 2300 Unterstützer verzeichnet – innerhalb von nur drei Tagen. Das kam selbst der Babelsberger Initiatorin Wiebke Kahl ungewöhnlich viel vor. Und tatsächlich stellte sie fest, dass speziell in den Nächten im Sekundentakt neue Unterzeichner hinzugekommen waren, die komischerweise zum Teil gleich mehrfach die selben Nachnamen trugen. Bereits am Mittwochabend habe sie ihre Beobachtungen dem Seitenbetreiber gemeldet, nach Himmelfahrt reagierte das Team von „openpetition.de“ am heutigen Freitag. Es seien rund 1995 Unterschriften gelöscht worden, „die offensichtlich nicht echt waren“, so die Betreiber. 

Jetzt gilt eine höhere Sicherheitsstufe für die Petition

Die Ursache: Es seien über eine einzelne IP-Adresse „automatisiert falsche Unterschriften erstellt“ worden, so das „openpetition.de“-Team. Im Klartext: Mittels einer Software wurden automatisch Unterschriften erzeugt. Um vorzubeugen, dass weitere ungültige Unterschriften erstellt werden können, habe man für die Petition eine höhere Sicherheitsstufe für das Unterzeichnen aktiviert. „Jetzt muss für jede Unterschrift eine eigene E-Mail-Adresse angegeben und bestätigt werden, bevor sie gezählt wird“, so das Betreiberteam. Es sei nicht bekannt, wer die falschen Unterschriften erstellt hat, hieß es weiter. Und: „Auch wissen wir nicht, warum dies geschehen ist. Man kann jedoch von einem Manipulationsversuch ausgehen.“ 

Initiatorin Kahl sagte den PNN, sie sei bestürzt über den Manipulationsversuch. „Da muss sich jemand gut ausgekannt haben.“ Und offensichtlich habe der Verursacher mit der Aktion bewusst in Kauf genommen, die Glaubwürdigkeit der Petition zu unterminieren. „Das ist sehr traurig.“ Trotz dieses Störversuchs werde aber das eigentliche Anliegen der Petition konsequent weiter verfolgt.

Stadt soll Ausfallvertretungen bezahlen 

In der von Kahl und weiteren Eltern initiierten Petition „Jetzt! Für bessere Kita-Betreuung in Potsdam” wird von der Stadt unter anderem gefordert, erstmals Mittel bereitzustellen, um Ausfallvertretungen in Kitas zu finanzieren. Das hat das Jugendamt bisher unter Verweis auf die Zuständigkeit des Landes abgelehnt.

Das lässt Initiatorin Kahl aber nicht gelten: „Die Stadt Potsdam hat ungenutzte Finanz- und Handlungsspielräume und kann aus eigener Kraft viel zur Entschärfung der Probleme beitragen.“ Wie berichtet ist insbesondere der vom Land finanzierte Betreuungsschlüssel in Potsdam im Bundesvergleich besonders schlecht, wie auch eine Studie von Bertelsmann ergeben hatte. Für mehr Mitsprache fordert Kahl, die Stadt müsse die Wahl und Einrichtung eines mit beratender Funktion versehenen Kita-Elternbeirats umgehend auf den Weg bringen, wie das in einigen anderen Kommunen Brandenburgs seit einer Gesetzesänderung 2015 bereits üblich ist.

Die Stadt weist die Forderungen zurück. Sie habe keinen Finanzspielraum

Die Stadtverwaltung hat bereits reagiert. „Die Stadt hat keinen Finanzspielraum, um neben den 70 Millionen Euro für Kitas pro Jahr jetzt auch noch für Landesaufgaben, also die Finanzierung des pädagogischen Personals, aufzukommen“, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow am Donnerstag auf Anfrage. Ebenso verwies er auf eine entsprechende Ankündigung des Landes. Laut Bildungsministerium ist im August geplant, den Personalschlüssel im Krippenbereich leicht zu verbessern: Auf eine Erzieherin kommen dann rechnerisch fünf Kleinkinder. Jetzt liegt der Schlüssel bei 1 zu 5,5.

Viele Unterzeichner der Petition schildern dagegen in Kommentaren die jetzige, aus ihrer Sicht unbefriedigende Situation. So schrieb eine Erzieherin: „Auf dem Papier liest sich der Personalschlüssel gut.“ Doch in ihrer Kita seien aktuell drei Erzieher krank, das bedeute mehr Belastung für die anderen – und in der Folge weitere Krankschreibungen. In Potsdam wird die Situation wie berichtet dadurch verschärft, dass Kinder besonders lang betreut werden – das Land aber nur Pauschalen für mehr oder weniger als sechs Stunden Betreuung zahlt. So liegt der tatsächliche Personalschlüssel für Kleinkinder laut der Bertelsmann-Studie bei einem Erzieher auf 7,2 Kinder. Bertelsmann fordert einen Schnitt von 1 zu 3 – wie im Westen Deutschlands üblich. So schreibt ein weiterer Potsdamer, die Politik schiebe sich bei diesem Thema „fleißig den Schwarzen Peter hin und her und keiner besinnt sich seiner Verantwortung für unsere Kinder“.

Eltern fordern die Einrichtung eines Kita-Navigators, der die Platzsuche erleichtert

Wieder andere Nutzer kritisieren allgemein den derzeitigen Engpass bei der Kitaplatz-Versorgung in Potsdam. Hier setzt eine weitere Petition an, die bis Donnerstagabend immerhin 212 Potsdamer unterschrieben – und damit die Einrichtung eines sogenannten Kita-Navigators fordern. Dieser soll die Kita-Platzsuche für Eltern vereinfachen. Bisher werden Kinder von den Eltern häufig persönlich bei vielen Einrichtungen angemeldet.

Um hier den hohen Aufwand durch die Wegezeiten zu sparen, soll die Anmeldung künftig auch per Internet möglich sein. Der Kita-Navigator soll diese Wartelisten verwalten – bekommt ein Kind einen Platz, wird es von anderen Listen gelöscht, um damit Doppelmeldungen zu vermeiden. Bisher ist das nicht sofort möglich. Schon in anderen Kommunen wie Düsseldorf wird so ein System verwendet. Für Potsdam ist die Einführung erst für 2017 geplant, wie es wie berichtet zuletzt im Jugendhilfeausschuss hieß. „Wir arbeiten gemeinsam mit den Trägern an der Verbesserung des Anmeldeverfahrens“, sagte Stadtsprecher Brunzlow.

Es gibt weiterhin zu wenige Kita-Plätze in Potsdam

Ein Hauptproblem bleibt aber: Es gibt nicht genügend Plätze, weil mehr Kinder in Potsdam wohnen als von der Verwaltung prognostiziert. Von 23 Kindern mit Rechtsanspruch auf einen Platz seien seit 1. April inzwischen zehn versorgt worden, teilte die Stadtverwaltung jetzt auf Anfrage der Linken mit. In den Kommentaren zur Petition wiederum zeigt sich, dass deutlich mehr Eltern die Suche nach einem Kita-Platz in Potsdam im Gedächtnis geblieben ist. So schreibt ein Nutzer, die Suche gleiche einem Spießrutenlauf. Und eine andere Mutter klagt: „Selbst Absagen muss man erbetteln. Und man weiß ewig nicht, ob es eine Lösung des Problems geben wird.“

Die Petitionen sind hier zu finden:
https://www.openpetition.de/petition/online/jetzt-fuer-bessere-kita-betreuung-in-potsdam

https://www.openpetition.de/petition/online/kita-navigator-fuer-potsdam

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