Aus dem GERICHTSSAAL: Vater als Anstifter
Beschleunigte Verfahren vor dem Jugendgericht / Sozialstunden und Geldstrafe
Stand:
„Der Vater meines Mandanten wartet draußen. Er ist bereit auszusagen“, verkündet der Verteidiger zum Beginn des beschleunigten Verfahrens. Die Jugendrichterin verzichtet allerdings auf den Zeugen, ohne den Philipp P.* (18) wohl nicht auf der Anklagebank sitzen würde. Der Abiturient ist umfassend geständig. Und ihm ist klar, er hätte im konkreten Fall lieber nicht auf seinen „alten Herrn“ hören sollen. Rückblende: Es ist der 18. August, kurz vor 20 Uhr. Soeben hat Paul P.* für seinen Sohn Philipp einen zehn Jahre alten VW Polo erworben. Auf der Heimfahrt sitzt zuerst der Vater am Steuer. Am Stadtrand kommt er auf die Idee, selbiges für ein paar Meter seinem Filius zu überlassen. Schließlich steht Philipp kurz vor der Führerscheinprüfung. Und es werden wirklich nur ein paar Meter. Der Kleinwagen gerät in eine Verkehrskontrolle. Vater und Sohn rutscht das Herz in die Hose. Schuldbewusst gibt der Ältere den Polizisten gegenüber zu, Philipp angestiftet zu haben. Doch es nutzt nichts. Philipp P. erhält eine Anzeige wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. „Als verantwortungsvoller Vater kauft man das Auto erst nach erfolgreicher Prüfung“, betont die Richterin. „Haben Sie jetzt wenigstens einen Führerschein?“, wendet sie sich an den Angeklagten. Der erklärt, die Prüfung am 3. November bestanden zu haben. „Mein Mandant ist wirklich kein Krimineller“, wirft der Verteidiger ein. Das sieht das Gericht ebenso. Es stellt das Verfahren gegen Ableistung von 30 Sozialstunden ein.
So glimpflich kommt Nico N.* nicht davon. Der wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, mehrfacher Körperverletzung sowie sexueller Nötigung Vorbelastete steckte am 15. Oktober bei „Kaufland“ eine Schachtel Zigaretten in seinen Rucksack, ohne sie zu bezahlen. Dafür kassiert er jetzt eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je fünf Euro. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt des Diebstahls 20 Jahre und 11 Monate alt. Er ist deshalb nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen“, so die Richterin. Den Staatsanwalt wurmt die „erschreckende Rückfallgeschwindigkeit“ der Straftaten von Nico N. „Sie hatten gerade einen Freizeitarrest verbüßt. Kurz darauf gehen Sie klauen. Nico N. beruft sich auf einen „gewissen Gruppenzwang“, dem er nicht widerstehen konnte. Künftig wolle er nicht mehr vom rechten Weg abweichen, versichert der Arbeitslose. Das werde auf Dauer auch zu teuer. „Ich musste bei Kaufland 100 Euro Fangprämie bezahlen. Und weil ich die nicht pünktlich überwiesen habe, kamen noch mal 30 Euro Mahngebühren dazu“, beschwert er sich. (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga
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