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Landeshauptstadt: Verbitterte Jungfrauen im Kupferkessel

PNN-Leser wurden bei der H2O-lala-Führung durch die Braumanufaktur „Forsthaus Templin“ und der Verkostung zu echten Bierexperten

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„Ich trinke doch sonst kein Bier.“ Rita Brand schaut etwas skeptisch auf die trübe gelb-braune Flüssigkeit mit der hellen Schaumkrone. Vorsichtig kostet die Potsdamerin davon: „Schmeckt gut“, ist sie überrascht, „so lieblich“, sagt sie zu ihrem Ehemann Dieter. Dass die Produktion des edlen Getränks ganz schön zeitaufwändig ist, erfahren die zwei – wie die anderen gut 25 Teilnehmer – erst im Laufe des Samstagnachmittags. Die vorletzte PNN-Sommertour unter dem Motto „H2O-lala“ beginnt ohne Stress, aber aufs Thema konzentriert. Die Herstellung ganz besonderen Wassers steht im Mittelpunkt: Die Kunst des Bierbrauens.

Die Braumanufaktur „Forsthaus Templin“ trägt ihren Titel nicht umsonst: Brauen ist hier noch richtige Handarbeit und echtes Handwerk. Beide „Forsthaus“-Inhaber, Jörg Kirchhoff und Thomas Köhler, haben das Handwerk in der Potsdamer Brauerei gelernt, anschließend studierten sie beide in Berlin das Brauwesen und die Gärungstechnik. Echte Fachleute also, die vor dreieinhalb Jahren aus der Ausflugsgaststätte ein Brauerei-Restaurant gemacht haben.

Das Reinheitsgebot, an das sich auch die Braumanufakteure aus Templin halten, sagt eindeutig, mehr als Wasser, Malz und Hopfen dürfe nicht in ein echtes deutsches Bier. „Aber dann stünde man am Ende ohne Bier da“, sagt Köhler lachend. Was fehlt? Ganz klar, die Hefe, nur die führt zur Gärung des Suds. „Aber das konnten die damals im Mittelalter nicht nachweisen, deshalb fehlt dieser wichtige Bestandteil im Reinheitsgebot“, sagt Köhler. Die Braumanufaktur nutzt ausschließlich Zutaten aus ökologischem Anbau, deshalb gibt es im Forsthaus Templin Potsdams einziges Bio-Bier. „Es ist schwierig, geeignete Partner aus der Nähe zu finden“, gesteht Köhler. Erst vor kurzem habe man eine Bio-Mälzerei aus der Umgebung aufgetan, die künftig die fünf Tage gekeimten und dann gerösteten Körner anliefert. „Über den Röstgrad entscheidet sich übrigens Farbe und Biergeschmack“, belehrt Köhler. Als der Teller mit den gerösteten Körnern herumgereicht wird, verbreitet sich Malzkaffee-Geruch. „Die schmecken wie Malzbonbons“, lädt Köhler zum Kosten ein. „Oder wie Muckefuck“, antwortet ein Gast.

Über die glänzenden Kupferrohre rauscht das gemahlene Malz in den Sudkessel. Der ist zur Besichtigung leider leer. „Wir brauen nach Bedarf“, erklärt Köhler. Im Sommer sei das jeden zweiten Tag, im Winter, wenn es hochkommt, einmal in der Woche. Doch allein ein Brauvorgang ergibt im Forsthaus 4000 Liter des edlen Gerstensaftes. Dafür benötigt werden 600 Kilo Malz und sechs Kilo Hopfen. Zehn Tanks stehen im Keller des Forsthauses zur Reifung und Lagerung bereit. Da bekommen vor allem die Männer glänzende Augen beim Ausrechnen.

Doch bevor es zum fertigen Bier in die Tiefen der Templiner Braumanufaktur geht, muss das Gebräu erstmal hergestellt werden, wenn auch nur theoretisch zur Führung. Deshalb hinauf in den ersten Stock, in dem die Malzmühle steht. Die gerösteten Körner finden ihren Weg vom Erdgeschoss zur Zerkleinerung in der ersten Etage über ein Becherwerk, die Besucherschar über die Treppe.

Die Mühle hat – wie viele andere Maschinen – schon Geschichte hinter sich. „Wir haben viele alte Geräte aus Brauereien, die aufgelöst wurden, geholt“, erzählt Köhler. Erstens drückte das die Kosten beim Aufbau der Brauereimanufaktur, zweitens genießen die Besucher den Blick auf die alten Gerätschaften. „Baujahr 1954, 1,4 Tonnen schwer, die Mahlwalzen wiegen 300 Kilo“, rattert Thomas Köhler nüchtern die beeindruckenden Zahlen herunter. Aber erst bei der Arbeitsleistung wird richtig gestaunt: „600 Kilo Malz werden für einen Sud benötigt, die sind in weniger als 25 Minuten klein.“ Da entfährt der Gruppe ein bewunderndes „Oh“ und „Ah“.

Ist das Malz im Wasser, kommt der Hopfen dazu. Keine andere Pflanze wird so mit dem Bierbrauen verbunden. Dabei ist die Menge im Vergleich mit den anderen Zutaten sehr gering“, zerstört Thomas Köhler das Klischee. 600 Kilo Malz, 4000 Liter Wasser und „sechs Kilo Hopfen reichen aus für unser Bier.“ Hopfen macht das Bier bitter, genauso wie das benutzte Wasser, wie Thomas Köhler erklärt. Im Norden, wo traditionell bitteres Bier gebraut wird, ist das Wasser hart, im Süden, wo die lieblichen Gerstensäfte beheimatet sind, gibt es weiches Wasser. Wir haben mittelhartes Wasser“, fügt Köhler hinzu. Den Rest besorgt der Hopfen. Die Pflanze gibt es in männlicher und weiblicher Ausführung, erläutert er. Zum Brauen benutze man unbestäubte Blüten der weiblichen Pflanzen. „Deshalb kommen bei uns Jungfrauen in den Sud, die verbittert sind“, hat er die Lacher auf seiner Seite. Acht bis neun Stunden kocht die Würze, ehe sie abgekühlt und die Hefe beigemengt wird. Dann beginnt das Warten. Gut Ding will Weile haben, das Brauen von Bier braucht Zeit. Fünf Wochen bis zwei Monate, so erzählt der studierte Ingenieur für Gärungstechnik, Thomas Köhler, benötige der Gerstensaft dann, ehe er ausgeschenkt werden kann.

Doch Gott sei Dank sind am Samstagnachmittag die Tanks in den Kellern des Forsthauses gut gefüllt, wie sich die Besucherschar mit eigenen Augen überzeugen kann. Der Geruch, als die Tür zur Kühlkammer aufgeht, ist leicht muffig, „wie eingeschlafene Füße“. Dieser Duft entstehe durch das Reifen des Biers, sagt Köhler. Den Appetit lassen sich die zu Bierexperten gewordenen PNN- Leser nicht verderben. Das abschließende Grillbuffet wird ebenso genossen wie natürlich das Bier der Braumanufaktur. Michael Schubert aus Teltow ist ein Liebhaber lokaler Biere. „Im Urlaub besuche ich mit meinem Bekannten gern kleine Brauereien und koste natürlich auch die einzelnen Biere.“ Er nimmt sich zwei Liter-Flaschen des Braumanufaktur-Gebräus mit: „Bis nach Hause reicht das.“

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