Landeshauptstadt: Verblühende Landschaften
4,5 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich benötigt die Schlösserstiftung für die Parkpflege – doch wofür?
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Sanssouci - Der drohende Pflichteintritt für den Park Sanssouci erhitzt die Gemüter: Bis zum 30. Juni 2013 hat die Stadt Potsdam noch Zeit, eine Satzung für eine Fremdenverkehrsabgabe zu beschließen, aus deren Einnahmen die Schlösserstiftung Geld erhalten soll. Geschieht dies nicht, wird ab 2014 in Sanssouci pro Parkbesuch ein Pflichtobolus von 2,50 Euro fällig. Die für die Fremdenverkehrsabgabe erforderliche Änderung des Kommunalabgabengesetzes haben die Fraktionen der rot-roten Regierungskoalition im Land bereits vorbereitet. Wenn die Novelle beschlossen und die Satzung in Kraft getreten ist, bekommt die Stiftung von der Stadt jährlich eine Million Euro für die Parkpflege, der Parkeintritt wäre wohl auf lange Sicht vom Tisch. Doch wofür wird das Geld eigentlich gebraucht? „Um die Gärten in einen Zustand zu versetzen, der den Titel Welterbe auch wirklich verdient“, sagt Michael Rohde, der Gartenbaudirektor der Stiftung. Und eigentlich wären dafür laut Stiftung perspektivisch jährlich sogar 4,5 Millionen Euro zusätzlich nötig. Ein Überblick über die Probleme.
FLÄCHENZUWACHS
Seit der Aufnahme der Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes im Jahre 1990 hat sich die Größe der von der Schlösserstiftung betreuten Fläche um fast ein Drittel erhöht – von knapp 550 auf heute rund 750 Hektar. So kamen unter anderem 1994 Schloss Rheinsberg und die Flächen der früheren DDR-Grenze im Neuen Garten hinzu, im Jahr 2000 Charlottenburg, Glienicke, Grunewald, Paretz und Königs Wusterhausen. Seit der Gründung der Stiftung im Jahre 1995 blieb aber die Zahl der Mitarbeiter der Abteilung Gärten nahezu unverändert. 127 Stellen waren es vor 17 Jahren, heute sind es 135,5. Rund 100 Hektar, bilanziert die Stiftung, seien „ohne zusätzliches Personal und notwendige finanzielle Mittel in Pflege genommen“ worden. „Hundertfach“, sagt Rohde, „ist zu sehen, dass die Pflege fehlt“. Das Bundesverwaltungsamt in Köln, ein Dienstleister des Bundes, hat dies bereits 2003 in einer Untersuchung bestätigt: „Erst mit einem Personalstamm von rund 171 Mitarbeitern können die Parks und Gärten der Stiftung in einem durch die Abteilung Gärten als qualitativ ausreichend anzusehenden Standard gepflegt und erhalten werden.“ Schon damals gab es demnach 41 Stellen zu wenig.
GEWÄSSER
Als symptomatisch für den Pflegemangel wertet Rohde den Zustand der zahlreichen Gräben, Seen und Wasserspiele in den Parks. So seien die von Peter Joseph Lenné angelegten, fein geschwungenen und sanft zum Wasser abfallenden Uferlinien, etwa am Parkgraben in Sanssouci, durch Erosion heute völlig zerstört. Schilf hat sich ausgebreitet, die Uferkanten, beispielsweise am Maschinenteich an den Römischen Bädern, sind größtenteils abgebrochen. Die Wasserspiele an den Orangerieterrassen sind nicht in Betrieb, weil das Geld zu ihrer Wiederherstellung fehlt. Die notwendigen Entschlammungen stehender Gewässer, etwa im Karpfenteich des Schlossgartens Charlottenburg, im Kindermannsee im Park Babelsberg oder im Friedensteich an der Friedenskirche im Park Sanssouci, könne die Stiftung ebenfalls aus Geldmangel nicht im erforderlichen Umfang durchführen. Der Zustand wird sich laut Rohde weiter verschärfen, wenn perspektivisch die historischen Gewässer im Park Babelsberg wiederhergestellt sind – das Schwarze Meer, der Große See und die zahlreichen Wasserläufe und -fälle.
SICHTACHSEN
Als weiteres Problem nennt der Gartenbaudirektor die Sichtachsen. So gebe es etwa im Park Babelsberg „vielleicht noch fünf, die wir derzeit präsentieren können“. Als Lenné und Fürst Pückler den Park im 19. Jahrhundert gestalteten, seien es allerdings etwa 50 Sichtbeziehungen gewesen, darunter „sehr wertvolle, die bis zum Neuen Palais reichten“. Für die zur Wiederherstellung erforderlichen Beschneidungen und Fällungen fehlt ebenso das Geld wie für die dauerhafte Freihaltung. Im Park Sanssouci gibt es ähnliche Probleme. Die Bäume entlang des Hauptwegs haben inzwischen eine Höhe erreicht, die die Freihaltung einer der wichtigsten Bllickbeziehungen – von der Großen Fontäne zum Neuen Palais – äußerst aufwendig macht.
NACHPFLANZUNGEN
„200 Jahre nach Lenné“, sagt Rohde, „haben wir das Problem, dass uns die Bilder zusammenbrechen“. Natürlich meint der Gartendirektor keine in sich zusammenfallenden Rembrandts, sondern Baumgruppen. Überall in Sanssouci hat der große Gartenkünstler kleine Baumhaine gepflanzt, malerische Tupfer in der Landschaft, die aus verschiedenen Perspektiven ihre Wirkung auf den Betrachter entfalten. Viele dieser Bäume haben ihr Lebensende erreicht. Theoretisch müsste kontinuierlich nachgepflanzt werden, damit eine Baumgruppe nicht ganz verschwindet. Mindestens drei bis fünf Jahre, sagt Rohde, müsse ein frisch gepflanzter Baum dann von Fachleuten gewässert werden, damit er nicht abstirbt. Das „Italienische Stück“ etwa, ein früher im mediterranen Stil mit Wein bepflanztes Areal an den Römischen Bädern, ist als solches nicht mehr zu erkennen. Heute geht der Spaziergänger dort nur an einem grasbewachsenen Hang entlang. Auch viele Hecken, etwa zwischen Hauptweg und Sizilianischem Garten, sind in einem beklagenswerten Zustand.
BLÜHENDE HISTORIE
Bereits vor fünf Jahren begann Rohde mit der Ausarbeitung detaillierter Denkmalkonzeptpläne für die Welterbegärten. In den „Gartenperspektiven 1989-2028“ wurde für jeden Park aufgeschlüsselt, in welchen historischen Zustand er wieder versetzt werden soll. Als Musterbeispiel für den schleichenden Verfall eines künstlerisch herausragenden Gartendenkmals gelten für Rohde die Orangerieterrassen. Wo um 1870 üppig blühende Rosenbeete und mediterrane Stauden das Auge des Betrachters erfreuten, sind heute nur Rasenflächen. Die Wiederherstellung des Zustandes von um 1870 wird angestrebt. Kosten: vier Millionen Euro plus 1,75 Millionen für eine adäquate Pflege über einen Zeitraum von zehn Jahren.
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