Landeshauptstadt: Verfahren auf dem Rücken der Patienten
„Es frisst die Leute schleichend“ vom 13. Juli 2006Einige Sachverhalte sollten ergänzt werden: Herr Herre von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sagt, dass der Zulassungsausschuss „ein autarkes Gremium“ sei, so als ob die KV mit der Entscheidung nichts zu tun hätte.
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„Es frisst die Leute schleichend“ vom 13. Juli 2006
Einige Sachverhalte sollten ergänzt werden: Herr Herre von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sagt, dass der Zulassungsausschuss „ein autarkes Gremium“ sei, so als ob die KV mit der Entscheidung nichts zu tun hätte. Das ist falsch: Der Ausschuss arbeitet im Auftrag der KV. Voraussetzung für eine Entscheidung wäre eine Bedarfsanalyse auf der Grundlage der Anzahl der zu erwartender Patienten. Offizielle Berechnungen gehen alleine für die Stadt Potsdam von mindestens 3000 Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen aus. Diese Zahlen habe ich in meinem Antrag zitiert. Sie wurden vom Vorsitzenden des Ausschusses als nicht zutreffend bezeichnet, eine Gegenanalyse gibt es bis heute (nach 16 Monaten) von der KV nicht.
Wenn die KV wegen des anderen Planungsbereichs keine Einwände gegen die Niederlassung des Kollegen hat, geht sie von einem Bedarf vor Ort aus. Ist die Praxis nicht ausgelastet, muss nach Gründen gesucht werden. Es kann aber nicht sein, dass Patienten aus einem anderen Planungsbereich gezwungen werden, den weiteren Anfahrtsweg in Kauf zu nehmen. Ludwigsfelde ist zwar nur 22 Kilometer von Potsdam entfernt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln benötigt man dafür aber über eine Stunde! Ein großer Teil der Patienten verfügt nicht über einen PKW. Andere können diesen Aufwand für die erforderlichen Kontrollen nicht leisten, ohne ihren Arbeitsplatz zu gefährden. Ist dies die wohnortnahe Betreuung, die gewünscht wird?
Frau Dr. Naumann begründet die längere Wartezeit für einen Patienten-Termin „mit ihrem dreiwöchigen Urlaub im August“. Das ist schlicht Unsinn! Ich weiß von mehreren Patienten, die im Mai einen Termin frühestens für September oder Oktober in Aussicht gestellt bekamen. Andere Patienten sind in meine Praxis gekommen, weil ihnen mitgeteilt wurde, Frau Naumann könne gar keine neuen Patienten mehr annehmen, nicht mal solche, die bereits seit Jahren im Gesundheitszentrum betreut werden.
Frau Naumann wundert sich, dass ich meinen Patienten aus Brandenburg zumute, nach Potsdam zu kommen. Es sei darauf hingewiesen, dass ich dort zu keinem Zeitpunkt eine eigene Zulassung hatte! Diese liegt beim Gesundheitszentrum Brandenburg, in dem ich angestellt war. Zur Sicherung der Versorgung vor Ort habe ich ein Übernahmeangebot für die von mir geführte Praxis abgegeben, das von der Klinik abgelehnt wurde.
Außerdem habe ich einen möglichen Nachfolger benannt, der aber von der Klinik ohne auch nur mit ihm gesprochen zu haben, abgelehnt wurde, und schließlich habe ich angeboten, einen Nachfolger einzuarbeiten, aber auch dazu ist es nicht gekommen. Ich habe in Brandenburg mit meinem Team bis zu 60 Stunden pro Woche gearbeitet und vorgehabt, wegen des hohen Bedarfes die Praxis auszubauen. Wenn meine Patienten nun zum Teil in die neue Praxis gefolgt sind, spiegelt auch dies die realen Versorgungsdefizite wieder – nicht mehr und nicht weniger!
Warum ist bis heute von der KV noch keine epidemiologisch begründete Bedarfsanalyse erfolgt? Warum wurden bis heute von der KV noch keine Patientenvertreter befragt? Und wieso wundert sich bei der KV niemand, dass weder meine Stelle in Brandenburg, noch die Stelle von Dr. Götz im Gesundheitszentrum Potsdam mit einem Facharzt für Innere Medizin und dem Schwerpunkt Rheumatologie besetzbar war?
Ich bedanke mich für die Stellungnahme von Herrn Dr. Horst Röpke (Leserbrief vom 20. Juli). Auch meines Erachtens bin nicht ich in erster Linie der Leidtragende, sondern es sind die Patienten, auf deren Rücken das Zulassungsverfahren ausgetragen wird.
Martin Bohl-Bühler, Potsdam
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