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Landeshauptstadt: Vergessenes Jubiläum

Vor 175 Jahren Häuschen für Telegrafenlinie aufgestellt

Stand:

Als vor 175 Jahren, am 21. Juli 1832, König Friedrich Wilhelm III. mit einer Kabinettsordre den Bau der optischen Telegrafenlinie zwischen Berlin und Koblenz befahl, hieß das Gelände, auf dem bald darauf die Station Nr. 4 errichtet wurde, noch „Hinterer Brauhausberg“. Das unscheinbare Häuschen mit seiner sechsarmigen Signaleinrichtung war schon verschwunden, als der Bau der Observatorien begann, hat aber den Namen „Telegrafenberg“ geprägt, der durch die dort ansässigen Wissenschaftseinrichtungen inzwischen international bekannt ist. Institutsmitarbeiter haben nun eine Interessengemeinschaft gegründet, welche die namensgebende Telegrafenstation den Potsdamern wie auch den Touristen wieder erlebbar machen möchten.

Politischer Hintergrund für die Einrichtung der optischen Telegrafenlinie war der 1815 erfolgte Anschluss des Rheinlandes an Preußen, der eine schnelle militärische Kommunikation mit der in Koblenz angesiedelten Regierung der neuen Provinz und der „Wacht am Rhein“ notwendig machte. Sowohl innen- und verwaltungspolitische Probleme als auch der Druck Frankreichs zur Revision der Verträge von 1815 zur Verdrängung Preußens aus der Rheinprovinz erzwangen den Bau der Linie.

Es entstanden ab 1832 insgesamt 62 Stationen. Das Telegrafensystem war von dem Berliner Postrat Carl Pistor (1778-1847) in Anlehnung an ein englisches Verfahren entworfen worden. An einem etwa sechs Meter hohen Mast waren drei Flügelpaare angebracht, deren Stellungen 4095 Zeichenkombinationen erlaubten. Die Stationen lagen etwa 15 Kilomter voneinander entfernt. Da es zwischen dem preußischen Kernland und der Rheinprovinz zu dieser Zeit keinen territorialen Zusammenhang gab, lagen einige Stationen im Ausland (Herzogtum Braunschweig, Königreich Hannover), was aber zu keinen unlösbaren Schwierigkeiten führte. Da die optische Telegrafenlinie eine militärische Einrichtung war, wurden die Stationen unter der Leitung der jeweilig zuständigen Garnisonbaudirektoren errichtet. Die Telegrafenlinie beförderte nur staatliche Nachrichten. Das Betriebspersonal – etwa 200 Militärbeamte – war im „Telegraphistencorps“ organisiert. Im „Späh- und Kurbeldienst“ beobachteten Ober- und Untertelegrafisten mit einem Fernrohr die Zeichengebung der Nachbarstationen und stellten danach den eigenen Signalapparat ein. Nachbarstationen für Potsdam waren Nr. 3 auf dem Schäferberg in Wannsee und Nr. 5 auf dem Fuchsberg bei Glindow.

Die Telegrafenlinie Berlin-Koblenz wurde endgültig 1852 eingestellt, wobei sie schon 1849 zwischen Berlin und Köln durch den elektrischen Telegrafen ersetzt worden war. Über die Leistungen der optischen Telegrafenlinie gibt es keine Statistiken, es wird geschätzt, dass jährlich 500 bis 700 Depeschen befördert wurden. Da nur am Tage bei guter Sicht telegrafiert werden konnte, waren die Betriebszeiten beschränkt. Eine 30 Worte umfassende Nachricht lief in etwa 90 Minuten über die Linie.

Die Stationshäuser verkaufte man vielfach mit der Bedingung des Abrisses. Nur wenige existieren überhaupt noch. 2001 konnte die als Ruine noch erhaltene, rekonstruierte Station 18 bei Neuwegersleben (Bördekreis) eingeweiht werden. Mit dieser Rekonstruktion hatte der Bördekreis, unterstützt durch Sponsoren, einen finanziellen und technischen Kraftakt auf sich genommen, dessen Ergebnis im Vergleich mit den früher wiederhergestellten Stationen dem historischen Vorbild am nächsten kommt. Auf dem Potsdamer Telegrafenberg wird sich das in dieser Größe nicht wiederholen lassen. Am heutigen 21. Juli, dem 175. Jahrestag der Telegrafen-Kabinettsordre, gedenkt die Interessengemeinschaft des Jubiläums. Am vermutlichen ehemaligen Standort der Station Nr. 4 auf dem höchsten Punkt des Geländes westlich des Michelson-Hauses soll im September eine Informationstafel enthüllt werden. Klaus Arlt

Klaus Arlt

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