Landeshauptstadt: Vergessenes Schloss Bornim als Modell nachgebaut
Reste auf städtischem Grundstück nachweisbar / Modell im März zu sehen
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Reste auf städtischem Grundstück nachweisbar / Modell im März zu sehen Von Günter Schenke Als Letztes kommen Pinsel und Farbe. Und wenn Siegfried Lieberenz diese Werkzeuge nach getaner Arbeit zur Seite legt, ist etwas Geschichtliches entstanden – diesmal das maßstabgetreue Modell vom Schloss Bornim. Schloss Bornim? – wird mancher ungläubig fragen: „Das gibt es doch gar nicht“. Der 69-jährige Lieberenz hat ein Stück Bornimer Baugeschichte, das schon seit über 200 Jahren vergessen schien, wieder ans Licht geholt. Ab 6. März will er das Geschaffene in einer Ausstellung, die sich mit dem Potsdamer Gewerbe im Wandel der Zeit befasst, in den Bahnhofspassagen zeigen. Lieberenz, ehemaliger Stuckateur, hat einen kleinen Werkstattkeller – oder sollte man sagen: ein Atelier? – der zu seiner Wohnung in der Behlertstraße gehört. Hier sägt, drechselt und malt der an der Geschichte Interessierte tage- und nächtelang, um Vergessenes, Zerstörtes und scheinbar Verlorenes wieder ans Tageslicht zu holen. Zu Bornim hat Lieberenz eine besondere Beziehung. Der passionierte Freizeithistoriker deutet auf eine Karte: „Hier befand sich die Schmiede von Bornim. Ein vergilbtes Foto zeigt den Schmied davor: Lieberenz“ Großvater. Auch sein Vater lernte noch das Schmiedehandwerk, sattelte später zum Autoschlosser um und arbeitete zuletzt auf dem Schlepperprüffeld der Wehrmacht im Bornstedter Feld. Wo einst das Schloss Bornim stand, befindet sich jetzt eine große Wiese. Städtisches Gelände. „Wir wollten eigentlich Infrarotaufnahmen vom Flugzeug aus machen lassen“, berichtet Lieberenz. „Wir“, das sind Siegfried Lieberenz und Klaus Broschke. Letzterer hat in einer 68-seitigen Broschüre „Das Lustschloss Bornim und seine Gartenanlage“ die Erinnerung an das einstige Kleinod vor den Toren Potsdams wach gehalten. Auf Seite 48 ist ein Foto aus der Vorkriegszeit abgedruckt. Es zeigt Bornimer Schüler, die mehrere Modelle tragen, darunter das des Lustschlosses. Unter Anleitung ihres Lehrers Kienast hatten sie es im Jahre 1938 gebastelt. Der Blick mittels Infrarot vom Flugzeug aus war den Heimathistorikern am Ende doch zu teuer. Sie sind überzeugt, die gesamte Anlage ließe sich sichtbar machen. Auf einer Computersimulation zeigt Lieberenz, wie sie einst ausgesehen hatte. Spuren gibt es heute noch zur Genüge. In der Beschreibung von Klaus Broschke heißt es: „Wenn man von der ehemaligen Bäckerei Brion in der Mitschurinstraße Nr. 27 über die unbebaute Seite dieser Straße zum Heineberg sieht, kann man noch in der davor liegenden Niederung Gräben und mit Büschen begrenzte Geländevierecke erahnen, welche die Grundrisse der Anlagen andeuten.“ Und Lieberenz bemerkt: „Es sind noch Grundmauern vorhanden und man kann heute noch feststellen, wo die Brunnen waren.“ Bei der Anfertigung des Modells, das im Kern aus Sperrholz besteht, konnte sich Lieberenz lediglich auf zwei historische Stiche stützen. Gebaut vom Großen Kurfürsten, von Friedrich I. genutzt, vom Soldatenkönig links liegen gelassen, hat das Lustschloss schließlich Friedrich II. abreißen und die noch brauchbaren Baumaterialien verkaufen lassen. Von den einst zahlreichen Lustschlössern dieser Art ist heute nur noch das Caputher Schloss als einzig erhaltenes Denkmal vorhanden. In seinem Bastelkeller-Atelier hat Siegfried Lieberenz das Bornimer Schloss in viermonatiger Arbeit maßstabgerecht wieder hergestellt, Mit dem Modellbau hat er vor zehn Jahren angefangen. Zahlreiche historische Bauwerke Potsdams entstanden unter seinen Händen. Das Bornimer Schloss ist sein sechstes Modell. Worin liegt der Sinn dieser Klein-Restaurierung? Lieberenz: „Wir wollen die Erinnerung an das historische Bauwerk wach halten.“ Außerdem habe er Sorge, das die Stadt das Gelände verkauft, dass es parzelliert und bebaut wird, so dass schließlich nichts mehr an das Bornimer Schloss erinnert. Auf die Frage, ob er das Geschaffene für ein authentisches Architekturmodell halte, antwortet Lieberenz freimütig: „Nein, es ist historisch nachempfunden.“ Schließlich gebe es nur die wenigen überlieferten Darstellungen und von dem Figurenschmuck ist so gut wie nichts vorhanden. Neben Drechseln und Sägen im Keller, musste er brennbare Knete zu Figuren formen. Keine davon hat ein historisch getreues Vorbild. Bereits in den Zeiten des Verfalls vor 240 Jahren sind die Figuren entfernt oder zerstört worden. Pinsel und Farbe gehören nicht nur bei der Farbgebung von Modellen zum Handwerkszeug von Siegfried Lieberenz. Seine Wohnung ist geschmückt mit Gemälden historischer Baulichkeiten in Potsdam, die teilweise akribische Genauigkeit erkennen lasen: Russische Kolonie Alexandrowka, Berliner Tor, Chinesisches Haus im Park Sanssouci, Drachenhaus, Gotische Bibliothek Über 13000 Fotos und Postkarten hat der Stuckateur im Unruhestand archiviert. „Ich habe Babelsberg aus der Sammlung ausgeklammert, weil es mir einfach zu viel wurde“, berichtet er. Aber wer etwas Bestimmtes über Potsdam wissen wolle, werde bei ihm immer fündig.
Günter Schenke
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