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Von Hella Dittfeld: Vergoldetes Lob schon in der Tasche

Oberschulband aus Taipeh bekommt das Prädikat „super diszipliniert“ und wird wohlbehütet

Stand:

Sie fallen auf, die Mitglieder der Chien Kuo High School Marching Band, auch wenn sie keine Uniformen tragen. Sie sind alle sehr schlank und viele für Asiaten ziemlich großgewachsen. Die lackschwarzen Haare wurden zu modischen Fransenfrisuren gestylt. Die Mähne verschwindet beim Auftritt zwar unter einem federgeschmückten Helm, aber der verstärkt wie bei Potsdams Langen Kerls dann noch den Eindruck von Größe.

Obwohl alle Bandmitglieder zwischen 15 und 19 Jahre alt sind, werden sie offensichtlich gut behütet. Mitangereist sind Studiendirektorin, Choreograph, Eltern und Betreuer. Eltern und Sponsoren haben zusammengelegt, damit die 87-köpfige Mannschaft aus Musikern und Tänzern Hotelzimmer im Kirchsteigfeld beziehen konnte. Eine fremde Umgebung, die Band ist zum ersten Mal in Deutschland, und dann noch die Unterbringung in einer Schule oder Kaserne, das war wohl zu viel des Wagemutes. Abiturientin Sophie Schulz, eine der beiden deutschen Betreuerinnen, nennt die Jugendlichen „super diszipliniert“ und lachend gibt sie zu, dass die mitgereisten Eltern da eher Probleme machen würden. „Sie ändern immer wieder spontan ihre Wünsche“, meint Sophie. Vier der mitgereisten Eltern, die ansonsten in einem anderen Hotel untergebracht sind, dürfen nach dem Rotationsprinzip jeweils eine Nacht im Hotel ihrer Sprösslinge zubringen und das lässt offenbar auch die beiden Betreuerinnen rotieren. Zusammen mit Hélène Spangenberg bekommt Sophie aber auch das in den Griff.

Die Zusatzauftritte in der Stadt und im Filmpark Babelsberg waren da eher entspannend und haben den jungen Perfektionisten ein bisschen von ihrer Nervosität genommen. Im Filmpark war das Publikum geradezu fasziniert von der Darbietung, es gab viel Beifall, die jungen Taiwanesen waren aber auch von der anschließenden Stuntshow angetan. So viel Feuer und Qualm und dazu die gewagten Sprünge - das fanden sie beeindruckend.

Dafür hat leider das Strandfest am Mittwoch keinen so guten Eindruck hinterlassen. Jedenfalls nicht bei Ming Lu. Es wäre so kalt gewesen, sagt er und fröstelt noch ein bisschen im Nachhinein. Ins Gewühl der Tanzenden hat er sich offenbar nicht gestürzt. Und Sophie ergänzt, dass man auf ein gegrilltes Stückchen Fleisch sehr lange habe warten müssen. Aber ansonsten sei das Essen gut, beeilt sich der junge Mann zu behaupten. Gesteht dann aber doch, dass ihm manches zu sehr gesalzen wäre. Es ist offenbar schwer, bei Besuchern von drei Kontinenten immer die richtige Gewürzmischung zu finden, auch wenn man sich auf ein buntes Allerlei eingestellt hat. Generell gefällt es den jungen Taiwanesen in Deutschland. Die Atmosphäre sei sehr schön, die Leute freundlich. Für ein umfassendes Urteil hätte man aber gern noch mehr von Potsdam und Umgebung gesehen.

Doch die Anforderungen sind groß. Gestern stand die Band ganz besonders unter Druck. Früh ging es aus den Federn, schon vor 7 Uhr wurde geweckt, Frühstück, dann nochmals Proben und der alles entscheidende Auftritt beim Marschwettbewerb. Bei der Show wurden nach der Musik des Amerikaners Billy Joel Bilder aus dem Leben junger Leute gezeigt, fröhlich, reflektierend, auch ein bisschen melancholisch, doch dann wieder temporeich im Finale. Das alles wurde für die WM in Potsdam neu einstudiert. Die Musikbearbeitung habe man im April bekommen, die Choreographie sogar noch später, aber dann sei in den Sommerferien jeden Tag geprobt worden, erklärt Bandleader Damien Fan. Und die Disziplin dabei hat sich bereits ausgezahlt. Mit einem Wettkampfergebnis beim Showteil von 90,56 Punkten und einer Goldmedaille mit Auszeichnung haben sich die Oberschüler aus Taipeh schon an die Spitze vorgearbeitet. Sind bereits vielfach ausgezeichnet worden, wurden 2008 Sieger in Monza und belegten bei WMs immer vordere Plätze.

Die Frage, wann man denn abends ins Bett müsse, um für die Wettkämpfe fit zu sein, löst sofort einen Blick in Richtung Bandleader aus. Der steckt sich kumpelhaft die Finger in die Ohren und Ming Lu gesteht, dass es meist Mitternacht werde, ehe Ruhe einkehrt. Selbst disziplinierte Taiwanesen sind eben auch nur Teenager.

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