zum Hauptinhalt

Von Kay Grimmer: „Verhaltenes“ Klein-Christie“s

Unter dem Hammer: Auktion von Kunst bis Kitsch, von antik bis modern

Stand:

360 Euro für die Position 394 sind geboten. Dabei bleibt es nicht lange. Das detailreiche Aquarell von Arthur Heinrich aus dem 19. Jahrhundert ist begehrt. Gelbe Zettel schnellen im Sekundentakt in die Höhe: 370, 380, 400, 500 Euro. Erst bei 850 Euro ist Schluss. Damit ist das Gemälde mit einer Ansicht von Potsdam das begehrteste Exponat an dieser samstäglichen Versteigerung des Auktionshauses Eichelkraut.

In geschichtsträchtigem Ambiente veranstaltet Tobias Kuhröber vom Auktionshaus Eichelkraut seine Auktionen mit Exponaten zwischen Kunst und Kitsch, von barocker Schönheit und moderner Schlichtheit. Im Saal der Gedenkstätte „Lindenstraße 54“, wird im Frühjahr und Herbst der Auktionshammer geschwungen. Über 650 Objekte sind es zur diesjährigen Herbstversteigerung: vom Diercke Schulatlas für 20 Euro Mindestgebot bis zur Vase aus Meißener Porzellan mit einem Startpreis von 40 000 Euro reicht die Spanne der Wertgegenstände.

Der Saal ist gut gefüllt mit Interessenten. Die meisten sind mit dem Katalog bewaffnet, in dem bei einigen diverse Merkzettel herauslugen. Neben den anwesenden Bietern nutzen andere die Möglichkeit per Telefon oder mit schriftlichem Gebot mitzusteigern. Doch ein Bieterrennen wie beim Potsdamer Aquarell bleibt an diesem Versteigerungstag selten. Bei vielen Positionen fragt die Auktionatorin Sylvia Kuhröber ergebnislos in den Saal. Keine Reaktion auf das Mindestgebot auch bei der goldenen Savonette-Sprungdeckeluhr, die auf 1400 Euro taxiert wurde. „Für 750 Euro würde ich sie nehmen“, ertönt es aus einer Ecke. „Ganz sicher nicht, dann geben wir sie lieber in den Nachverkauf“, kontert die hammerbewaffnete Versteigerin. Jedes nichtversteigerte Exponat kann etwa einen Monat lang im Auktionshaus zum Tax-Preis erworben werden. „Da zählt dann Schnelligkeit“, sagt Tobias Kuhröber, der die Stimmung auf der Versteigerung als „verhalten“ bezeichnet. „Die wirtschaftliche Verunsicherung ist zu spüren“, sagt der Auktionshaus-Geschäftsführer.

Zumal es nicht die oberen Zehntausend zu sein scheinen, die an diesem Samstag gekommen sind. Es regiert Bodenständigkeit bei Auktions-Teilnehmern und Veranstalter. Statt prickelndem Champagner aus Kristallkelchen wie es bei Auktionen der großen Häuser Christie“s und Sotheby“s gern vorkommt, gibt es Thermoskaffee aus Plastikbechern und Discounter-Lebkuchen, statt dekadenter Zurschaustellung von alten Kostbarkeiten werden die Exponate lediglich per Beamer gezeigt. Wer hofft, auf Pelz, Diamanten und sichtbaren Reichtum beim Publikum zu stoßen, wird enttäuscht. Vor Ort sind Sammler, die nach Liebhaberstücken gucken, Auktions-Fans sind oder die Chance auf Schnäppchen wittern.

Wie bei der Position 232. Ein Konvolut Wein steht zur Versteigerung an. Drei ungeöffnete Flaschen aus den Jahren 1909 und 1945. „Einer davon gilt sogar noch als trinkbar“, betont Auktionatorin Sylvia Kuhröber, die anderen beiden Flaschen seien als Zierde für jedes Weinregal ideal. Der Startpreis liegt bei 120 Euro. Zwei der gelben Bieterkärtchen gehen hoch. In Zehnerschritten steigt der Preis bis auf 160 Euro, ehe der Hammer fällt. Freude bei der Bieterin, die den Zuschlag erhält, freut sich. „Ein Schnäppchen“, raunt sie ihrer Nachbarin zu.

Zwischen Schnäppchen und Edel-Exponaten versteckt sich in der fünfstündigen Mammut-Auktion aber hin und wieder auch Erheiterndes: Eine Bettpfanne aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Kuhröber mit den Worten anpreist: „Sie ist auch gut zu gebrauchen, wenn der Mann mal zu spät nach Hause kommt, hat aber schon ein paar Beulen, muss also schon in Verwendung gewesen sein.“ Die Beziehungen bei den Bietern scheinen jedoch noch intakt. Das Ehe-Regulativ „Bettpfanne“ bleibt unversteigert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })