Landeshauptstadt: Verharmlost
Zu „Lustvoller Tanz auf dem Pulverfass“ vom 27. November und der Ausstellung „Freiheit der Idee.
Stand:
Zu „Lustvoller Tanz auf dem Pulverfass“ vom 27. November und der Ausstellung „Freiheit der Idee. 7mal Kunst vor ’89“
Im Prospekt zur Ausstellung wird in vereinfachter und zugleich polemischer Weise der Unterschied zwischen dem Kunstschaffen in der DDR und der Bundesrepublik beschrieben: „Ökonomische Zwänge in Westen“ und „politische Zwänge im Osten“. Im Westen entscheide „eher Spekulantentum als Qualität über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Künstlern“.
Der Ausstellungsprospekt berichtet von Künstlern, die meinten, sie konnten in der DDR alles machen. Sie hätten sich nicht beirren lassen von der SED-Forderung, „Glanz und Glorie des Sozialismus auf die Leinwand zu bringen“. In den späten 80er Jahren seien unter dem Eindruck der politischen Veränderungen zahlreiche Arbeiten entstanden: „feinfühlig“, in „Auseinandersetzung mit dem Wert der Freiheit“.
Der Text zur „Freiheit der Idee“ beschränkt sich auf diese positive Darstellung. Er verharmlost und verschleiert damit die Vergangenheit der Kunst in Ostdeutschland. Vergessen wird, dass Johannes R. Becher, Minister für Kultur, schon 1956 die Träger der sozialistischen Ordnung, der „Barbarei“ bezichtigte. Nicht erwähnt werden die Demütigungen und Zurechtweisungen, die Künstler im sozialistischen Staat erfahren haben. Vom ideologischen Dogmatismus der SED, der Existenzen vernichtete und zu zahlreichen Übersiedlungen und Ausweisungen bedeutender Kunstschaffender in die Bundesrepublik führte, ist keine Rede.
Dass die Aussagen in der Einführung zur Ausstellung unbedacht einseitig sind, zeigt auch der Fall des Mitglieds der Akademie der Künste der DDR und Nationalpreisträgers Wolfgang Mattheuer. Er bezeichnete in den späten 80er Jahren die für viele Künstler unerträgliche Kulturpolitik als „Verfall, Korruption und Zynismus“. Er glaubte, dass „programmatisch“ jede „Änderung heute und für die Zukunft „ausgeschlossen“ sei und kündigte 1988 seine Mitgliedschaft in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Mattheuer wurde von der Staatssicherheit bespitzelt und zuletzt als Staatsfeind eingestuft.
Sein mutiger Schritt dokumentiert zutreffender die damalige sozialistische Wirklichkeit der DDR vor der Revolution (nicht „Wende“), als die beschönigende Ausstellungseinführung. Der Werbeprospekt ist von einer städtischen Institution herausgegeben worden, die das kulturelle Erbe der Stadt verwaltet. Sie sollte es eigentlich besser wissen.
Dr. Roland Thimme, Meckenheim
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: