Landeshauptstadt: Versöhnung über den Gräbern
180000 überzeugende Botschafter, junge Menschen, die in den vergangenen 50 Jahren für die Deutsche Kriegsgräberfürsorge arbeiteten
Stand:
180000 überzeugende Botschafter, junge Menschen, die in den vergangenen 50 Jahren für die Deutsche Kriegsgräberfürsorge arbeiteten Von Ute Platzeck „Die Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens, und ihre Bedeutung als solche wird immer zunehmen.“ (Albert Schweitzer, Friedensnobelpreisträger) In wenigen Tagen begehen wir den Volkstrauertag in Gedenken der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Wir gedenken der Gefallenen und in Kriegsgefangenschaft Verstorbenen, wir erinnern uns an die Schrecken der Vertreibung, an die Not der Bombenopfer und gedenken auch derer, die aus ideologischen und rassistischen Gründen verfolgt wurden oder weil sie Widerstand leisteten. Beim Lesen der vielen Namen von Opfern auf der internationalen Kriegsgräberanlage auf dem Neuen Friedhof oder der sowjetischen Gedenkstätte auf dem Bassinplatz, überfällt mich jedesmal ein Grauen und die Frage nach dem Warum lässt mich nicht los. Noch schlimmer ist es auf dem großen Friedhof in Halbe – hinter jedem dieser unzähligen Namen steht ein Menschenschicksal. Jeder von ihnen hatte seine Träume, Hoffnungen und Wünsche wie wir. Nur der unsinnige Tod kam ihnen zuvor. Mein Onkel Martin ist mit 19 Jahren 1945 in Russland bei Charkow gefallen. Er soll ein fröhlicher Mensch gewesen sein und wollte Landwirt werden – ein ganz normales Leben führen. Ich hätte ihn gern kennen gelernt. Die Familie konnte nicht viel über ihn sprechen, die Trauer der Eltern und Geschwister war einfach zu groß. Wir müssen die Erinnerung, wie es dazu kommen konnte, wachhalten und uns dafür einsetzen, dass sich Derartiges nie wiederholen darf. Für mich hat sich daraus die Mitarbeit im Volksbund abgeleitet, unter dem Motto „Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden“. Natürlich habe ich mich auch schon gefragt, wie wichtig dieses Engagement heute, so viele Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist. Mir ist es wichtig, wenn ich zum Beispiel von den gewaltsamen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien, Afghanistan oder Tschetschenien erfahre. Dann überkommt mich unweigerlich wieder die Frage: Hat denn keiner aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt? Sind alle Opfer vergessen? Damit sie als „Mahnmale für den Frieden“ erhalten bleiben, arbeitet der Volksbund und ruft auch zur Straßensammlung auf. Mit dem Landesvorsitzenden des Volksbundes, Herrn Dr. Knoblich, mehreren Stadtverordneten und weiteren Persönlichkeiten bitten wir am heutigen Freitagmittag auf der Brandenburger Straße um Spenden für die Arbeit des Volksbundes. Als ich vor einigen Jahren zu einer Eröffnungsveranstaltung einer Kriegsgräberanlage in Split die Eröffnungsrede hielt, hatte ich einen 26-jährigen Studenten als Dolmetscher. Er erzählte mir, dass er Kriegsteilnehmer war und die Stadt Split auch viele Menschenopfer zu beklagen hat. Der junge Mann ist ungefähr so alt wie meine Kinder, die Erfahrungen können wohl kaum unterschiedlicher sein. Der Volksbund gründete sich 1919, um für die Gefallenen aus dem 1. Weltkrieg würdige Ruhestätten anzulegen. 1954 beauftragte die Bundesregierung den Volksbund mit der Aufgabe, die deutschen Soldatengräber im Ausland zu suchen, zu sichern und zu pflegen. Die Arbeit des Volksbundes erstreckt sich nicht nur über die Anlage und Pflege von Friedhöfen. Jedes Jahr organisieren wir im Rahmen unsere Schul- und Jugendarbeit über 50 internationale Jugendlager im In- und Ausland. Mehr als 180 000 junge Menschen führte der Volksbund im Laufe der vergangenen 50 Jahre an die Kriegsgräber. Sie wurden, unbelastet von Schuld, im klaren Bewusstsein unserer gemeinsamen Verantwortung für den Umgang mit unserer Vergangenheit und für den Frieden in Gegenwart und Zukunft, zu glaubwürdigen und überzeugenden Botschaftern der Versöhnung. Eine zentrale Gedenkveranstaltung findet im Reichstag unter dem Motto „50 Jahre Jugendarbeit – Brücken der Verständigung“ am Sonntag statt und wird ab 16 Uhr live in der ARD übertragen. Vor drei Jahren hat der Volksbund mit 13 deutschen Großstädten das „Riga-Komitee“ gegründet. Aufgabe dieses Zusammenschlusses ist es, an das Schicksal von über 20000 deutschen Juden zu erinnern, die 1941/42 nach Riga deportiert und in ihrer überwiegenden Zahl im Wald von Bikernieki ermordet wurden. Auch mit Volksbundunterstützung wurde dort eine würdige Gräber- und Gedenkstätte errichtet. Arbeit für den Frieden bedeutet für den Volksbund: - Toleranz zu üben und ein humanes Menschenbild zu wahren, -für die freiheitlich demokratische Grundordnung und die Versöhnung innerhalb des Volkes einzutreten, - das humanitäre Völkerrecht zu achten, -um die Aussöhnung und Verständigung der Völker bemüht zu sein, - die Begegnung und das gemeinsame Wirken junger Menschen aller Nationen an den Gräbern zu fördern. Die Arbeit des Volksbundes hat diesen Zielen zu dienen, aufbauend auf den Wertevorstellungen unseres Kulturverständnisses, die das Gedenken an die Toten gebieten, unter dem Leitwort: Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden. Unsere Autorin ist Mitglied im Bundes- und Landesvorstand Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sowie Potsdamer Stadtverordnete für das BürgerBündnis
Ute Platzeck
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: