
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Verstoß gegen Landesverfassung?
Im Streit um den Uferweg am Griebnitzsee wächst der Druck aufs Rathaus Vorwurf: Die Stadt hätte Weggrundstücke kaufen sollen
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Babelsberg - Im Konflikt um den Uferweg am Griebnitzsee gerät die Potsdamer Stadtspitze um Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) immer stärker unter Druck: Es werden Vorwürfe laut, wonach die Stadt ihrer in der Brandenburger Landesverfassung festgeschriebenen Pflicht, „der Allgemeinheit den Zugang zur Natur, insbesondere zu Bergen, Wäldern, Seen und Flüssen () freizuhalten und gegebenenfalls zu eröffnen“, über Jahre nicht nachgekommen sei. Im Klartext: Die Stadt hätte die Grundstücke des ehemaligen DDR-Grenzerweges vom Bund kaufen müssen, statt seit 1996 jahrelang um den Preis zu feilschen.
„Im Sinne der Landesverfassung hätte die Stadt zielgerichteter vorgehen müssen“, bewertet der Linke-Stadtverordnete und Potsdamer Ex-Parteichef Pete Heuer. Es sei zwar „auch nicht schön, wie der Bund agiert hat“, doch es zähle die Landesverfassung. Oberbürgermeister Jakobs wollte sich gestern zum Thema Griebnitzsee nicht äußern; die Stadt räumt aber freimütig ein, die Möglichkeit gehabt zu haben, die Uferflächen zu kaufen – sie seien aber mit 115 Euro weit teurer gewesen als ein Verkehrswertgutachten ergeben habe.
Wie die Vorgabe der Landesverfassung umgesetzt werden kann, zeigt der Starnberger See vor den Toren Münchens mit rund 50 Kilometern Uferfläche. Mit Verweis auf den Passus, das Land habe der Öffentlichkeit den Zugang zu Seen zu verschaffen, kauft der Freistaat dort regelmäßig Ufergrundstücke. Er komme zum Zuge, wenn ein Ufergrundstück von privat verkauft werde, erklärte Jan Björn Potthast, Sprecher der bayrischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Dann mache der Freistaat sein laut Landesverfassung gegebenes Vorkaufsrecht geltend und erwerbe das Ufer für die Öffentlichkeit. Dies sei im vergangenen Jahr zwar in „weniger als zehn Fällen“ geschehen, so Potthast, auch gebe es oftmals Rechtsstreitigkeiten mit den Käufern der Grundstücke. Dennoch: Ziel sei immer „die Zugänglichmachung des Ufers für die Öffentlichkeit“, so Potthast.
In Potsdam gehen unterdessen die Debatten darüber weiter, wie der Konflikt am Griebnitzsee beigelegt und der Weg wieder geöffnet werden kann. Oberbürgermeister Jakobs setzt offenbar weiter auf sein formales Kaufangebot an die Anrainer; parallel laufen die Prüfungen zum Stegbau am Ufer sowie zu Enteignungen. Die SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung will weiterhin einen Mediator einschalten – das sollen die Stadtverordneten am Mittwoch beschließen. Wer der Vermittler sein soll, will die Rathauskoalition aus SPD, CDU/ANW, Grünen und FDP/Familienpartei allerdings erst später verraten. Über die Personalie, die mit den Anrainern abgestimmt werden soll, könne der Hauptausschuss entscheiden, sagte SPD-Fraktionschef Mike Schubert gestern.
Das von Die Linke gestartete Bürgerbegehren steht weiter in der Kritik. Die Frage: Ist es laut Kommunalverfassung zulässig, obwohl die Stadtverordneten bereits vor mehr als einem Jahr beschlossen haben, dass es am Griebnitzsee beim Scheitern aller Verhandlungen Enteignungen geben soll? Schubert forderte die Stadtverwaltung auf, hier von Amts wegen die Kommunalaufsicht einzuschalten. Sie müsse prüfen, ob die Unterschriftensammlung, die zu einem Bürgerentscheid führen kann, rechtens ist.
Ungeachtet aller Aktionen sind gestern die Anrainer des Sees weiter aktiv geworden: Sie ließen Bagger auffahren, die einen Teil des ohnehin seit Mitte April gesperrten Weges mit Erde zuschütteten, um ihn als Garten zu gestalten.
Sabine Schicketanz
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