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Homepage: Vertrackte Probleme
An der Uni Potsdam ist ein Graduiertenkolleg gestartet, das sich mit ausufernden Problemlagen befasst
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Ein vertracktes Problem ist mehr als ein Problem. Normale Probleme lassen sich lösen, wenn eine Sache aber vertrackt ist, geht das nicht mehr so leicht. Als dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush am 11. September 2001 von einem seiner Sicherheitsberater auf einem Termin an einer Schule ins Ohr geflüstert wurde, dass ein Passagierflugzeug in einen Turm des World Trade Centers geflogen war und kurz darauf ein zweites, hatte der US-Präsident ein solches vertracktes Problem. In solchen Fällen gilt es, richtig und angemessen zu reagieren, damit aus diesem einen Problem nicht im Dominoeffekt viele weitere Folgeprobleme erwachsen.
Krisenmanagement ist in solchen ungewöhnlichen Situationen gefragt, mitunter auch die richtige Symbolik. So wie Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der während der Elbeflut 2002 kurzerhand in die Gummistiefel stieg und vor Ort selbst den Eindruck vermittelte, die Krisenbewältigung voranzutreiben. Wofür er dann bekanntlicherweise auch wiedergewählt wurde. Ein Negativbeispiel für ein vertracktes Problem, das zahlreiche Folgeprobleme nach sich zieht, ist sicherlich die Tsunami- und anschließende Reaktorkatastrophe in Japan 2011. Der Verwaltungsexperte Professor Paul t’ Haart erinnerte auf einer Tagung zu „Vertrackten Problemen als Herausforderungen für öffentliche Verwaltungen“ an der Universität Potsdam daran, dass der japanische Premierminister zwei Wochen lang nicht in den Medien zu sehen war, es musste sich erst der König ans Volk wenden, was einen ziemlich einmaligen Vorgang darstellte. „Keine Gute Strategie, hier wurde zu spät reagiert“, so Paul t’ Haart.
Die Tagung war gleichzeitig Auftakt des Graduiertenkollegs „Vertrackte Probleme, herausgeforderte Verwaltungen: Wissen, Koordination, Strategie”, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Universität Potsdam einrichtet. Insgesamt zwölf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Hochschule sind daran beteiligt. Acht Doktoranden werden im ersten Jahr gefördert. Insgesamt stehen 17 Doktorandenstipendien zur Verfügung. Der Förderungszeitraum dauert vom Oktober 2012 bis März 2017. Das Kolleg untersucht die Verbindungen zwischen vertrackten Policyproblemen und der Organisationsentwicklung öffentlicher Verwaltungen. Dabei berücksichtigt es auch Beziehungen zwischen Organisationen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie öffentliche Verwaltungen auf solcherart ungewöhnliche Problemlagen reagieren können und sollen, welches Krisenmanagement nötig ist und welche Strategien entwickelt werden müssen.
Naturkatastrophen, politische Unruhen, Terroranschläge, Pandemien, ethnische oder religiöse Konflikte, der Klimawandel oder die demograpfische Entwicklung sind nur ein paar Beispiele für vertrackte Probleme, mit denen Kommunen oder auch Regierungen konfrontiert sein können. Oft stecken dahinter Entwicklungen, die man bereits durch vorbeugende Maßnahmen hätte begleiten müssen. Falsche Reaktionen in Krisensituationen können sogar bis zum Staatskollaps führen.
Umso wichtiger, dass junge Verwaltungswissenschaftler zu Lösungs- und Präventionsmaßnahmen nun neue Ideen entwickeln. Gleich vier Doktoranden werden sich mit Themen aus dem Umwelt- und Klimaschutzbereich sowie mit der Energiewende beschäftigen. Andere fragen danach, wie sich Konsumverhalten nachhaltig entwickeln lässt oder wie Methoden des Design Thinking Reformen des öffentlichen Sektors voranbringen können.
„Wir haben uns sehr viel vorgenommen“, sagte der Sprecher des Graduiertenkollegs Klaus H. Goetz, der an der Potsdamer Uni die Professur für Politik und Regieren in Deutschland und Europa inne hat. „Was bedeuten solche Problemlagen für öffentliche Verwaltungen, wie kann angemessen darauf reagiert werden, welche Koordination ist nötig, welche Organisation, welche Strategien, das sind Arbeitsziele unseres Graduiertenkollegs“, so der Politikwissenschaftler.
Vertrackte Probleme zeichnen sich durch ein hohes Maß an Komplexität, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit aus, erklärt Goetz. „Deshalb sind sie eine grundsätzliche Herausforderung für die Organisation öffentlicher Verwaltungen – auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene.“ Um Phänomene des Organisationswandels beschreiben zu können, liege für die beteiligten Wissenschaftler das Hauptaugenmerk auf der Frage, wie verschiedene Typen öffentlicher Verwaltungen Organisationswissen, -koordination und -strategien entwickeln und in welchen Wechselbeziehungen sie zueinander stehen.
Das Forschungsprogramm soll deutschen und internationalen Nachwuchswissenschaftlern ermöglichen, sich intensiv mit den Fragestellungen und theoretischen Grundlagen der am Kolleg beteiligten Disziplinen vertraut zu machen, die eigenen Forschungsarbeiten entsprechend zu verankern und internationale Erfahrungen zu sammeln. „Die Teilnehmer erhalten so die Chance, sich auf Karrieren in der Wissenschaft und in öffentlichen Führungspositionen vorzubereiten“, erklärt Professor Goetz. Er hoffe, mit dem Vorhaben eine längerfristige Entwicklung an der Potsdamer Uni anstoßen zu können. Jan Kixmüller
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