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Am Boden. Hanka Kupfernagel ist aus dem A-Kader geflogen. Für die viermalige Weltmeisterin ist das unverständlich.

© ddp

Sport: Vertrauen gestört – die Gegner freuen sich

Fall Kupfernagel beschädigt den Radsportverband, weil die Außendarstellung immer schlimmer wird

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Berlin - Hanka Kupfernagel wäre gerne ins olympische Dorf zurückgefahren. Sie hatte Hunger, sie war erschöpft, und frustriert war sie auch. Platz elf beim Zeitfahren, ausgerechnet bei den Olympischen Spielen in Peking, was für eine Enttäuschung. Sie war 2007 Weltmeisterin im Einzelzeitfahren geworden, sie hatte mit einer Medaille gerechnet. Und nun das. Sie wusste nicht, dass sich ihr Frust gleich noch vergrößern würde. Denn der Bus des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), der die ganze Mannschaft zurückbringen sollte, war schon weg. Einfach weg, abgefahren, ohne sie und ihren Trainer Mike Kluge. So standen sie jetzt da, 70 Kilometer von Peking entfernt. Kluge rief Frauen-Bundestrainer Jochen Dornbusch an, der erklärte mit Motorengeräusch im Hintergrund: „Wir sind schon unterwegs. Es gibt Shuttles. Kümmert Euch selber darum.“ Den Transport nach Peking übernahm dann Dieter Kühnle, der frühere Vize-Präsident des BDR, er sammelte das wütende Duo ein.

Die Geschichte ist acht Monate her, aber Kluge hat sie nicht vergessen. Man muss das wissen, dann versteht man seinen Ärger. „So kann man mit verdienten Athleten nicht umgehen“, knurrte er gestern. „Nur durch einen Wechsel der BDR-Spitze kann der Radsport gerettet werden. Das Vertrauensverhältnis zwischen Athleten und Funktionären muss wieder hergestellt werden.“ Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm, Kupfernagel und dem BDR ist extrem gestört, weil der Verband Hanka Kupfernagel aus dem A-Kader geworfen und BDR-Generalsekretär Martin Wolf leider vergessen hat, ihr das rechtzeitig mitzuteilen. So erfuhr sie es über die Sporthilfe.

Der BDR hatte durchaus richtig gehandelt. In den aktuellen A-Kader kommen nur Athleten, die im Jahr zuvor bei Olympischen Spielen oder bei einer Weltmeisterschaft unter die ersten zehn kamen. Das ist im gesamten Bereich des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) so. Kupfernagel wurde aber nur Elfte. Dass sie unverändert zur Weltspitze gehört, dass sie viermalige Cross-Weltmeisterin ist – spielt alles keine Rolle. Sie fällt erst mal von der Maximalförderung der Sporthilfe (A-Kader und Eliteförderung) ins Nichts. Derzeit ist sie in keinem Kader eingestuft. Das bedeutet: kein Geld von der Sporthilfe.

Das muss nicht so bleiben. Die Sporthilfe hat die Möglichkeit, Sportler individuell zu fördern, wenn besondere Umstände vorliegen. Ein Ausschuss entscheidet darüber. Das nächste mal tagt er im April. Allerdings muss der BDR eine solche Förderung empfehlen. Ob er das macht, ist unklar. Weder BDR-Sportdirektor Burkhard Bremer noch Generalsekretär Martin Wolf waren gestern erreichbar.

Aber solche nüchternen Fakten sind nicht das Problem des BDR. Das Problem ist die Außendarstellung im Fall Kupfernagel, dieser fatale Fehler von Wolf. „Das ist doch peinlich, das ist doch der Hammer“, sagt Dieter Kühnle. Der Ex-Vizepräsident des BDR organisiert derzeit mit anderen die Abwahl von BDR-Präsident Rudolf Scharping. Wegen des früheren SPD-Chefs ist er 2007 zurückgetreten. „Dieser Fehler erleichtert natürlich die Argumentation für einen Wechsel“, sagt der 63-Jährige jetzt. „Immer mehr ehemalige und aktive Athleten wollen einen Wechsel.“ Zuletzt hatte Mountainbike-Olympiasiegerin Sabine Spitz der Online-Ausgabe der „Bunten“ gesagt: „Ich würde ihn nicht wählen, und ich kenne wenig Scharping-Fans. Seine Zeit im Rampenlicht ist vorbei.“

Nun ist Scharping persönlich nicht dafür verantwortlich, dass Kupfernagel rechtzeitig über ihren Rauswurf informiert wird, aber solche Differenzierungen gehen längst in der allgemeinen, pauschalen Kritik an dem früheren Verteidigungsminister unter. Und zumindest bei Kluge vermischen sich Ärger über die Vergangenheit und Unverständnis über aktuelle Ereignisse. Auch die Grenzen zwischen den Personen und dem BDR im allgemeinen verwischen. Kluge ist zum Beispiel auch verärgert darüber, dass Kupfernagel mit ihren Teamkolleginnen nach Peking reisen musste. Sie wollte später nach China, weil das für sie am besten sei. Aber der BDR sei hart geblieben. Kluge und seine Athletin können das bis heute nicht verstehen. „Wir haben in Peking keine einzige gemeinsame Maßnahme gemacht“, sagt Kluge. „Weshalb sollte sie denn dann mit den anderen anreisen?“

Und in seiner Wut sieht Kluge auch nicht, dass rein sportliche Argumente dagegen sprechen, seine Sportlerin weiter im A-Kader zu behalten. „So eine verdiente Athletin wie muss man doch als BDR behalten. Die wirft man doch nicht aus dem A-Kader.“ Wenigstens fällt die viermalige Weltmeisterin nicht ins finanzielle Loch. Sie hat Sponsoren, die federn ihren Sturz ab.Frank Bachner

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