zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Verwende deine Jugend

Die 11. Klasse des Einstein-Gymnasiums gestaltete gestern eine Stadtverordnetenversammlung

Stand:

Vermutlich hätte es sich Jann Jakobs nie träumen lassen, dass er in einer so wichtigen Angelegenheit einmal von der CDU statt von seiner eigenen Partei unterstützt werden würde. Doch dann beantragte die CDU-Fraktion gestern in der Stadtverordnetenversammlung, das Niemeyer-Bad am Brauhausberg zu bauen – und der SPD-Mann hob enthusiastisch sein Abstimmungskärtchen. Jakobs Stimme aber half nicht viel, der Antrag der sieben Mann starken CDU-Gruppe wurde trotzdem abgelehnt – allein schon die zwölf Gegenstimmen der Fraktion Die Anderen machten alle Träume von einem Spaßbad zunichte. Angenommen wurden hingegen zwei andere Anträge: die Familien-Partei hatte im Fall eines möglichen Bad-Baus niedrige Eintrittspreise verlangt und Die Andere eine Untersuchung aller städtischen Großprojekte und eine anschließende Bauempfehlung.

Im regulären Politikbetrieb hätte dieses Zusammenkommen der Stadtverordneten wohl für einige Verwirrung gesorgt, vor allem deshalb, weil nicht wie sonst die Linkspartei.PDS die stärkste Fraktion stellt sondern Die Andere. Doch weil die gestrigen Entscheidungen im Stadtparlament nicht von Politikern sondern von Schülern getroffen wurden, hielt sich die Brisanz der Antragsbeschlüsse in Grenzen – und ebenso deren Umsetzung.

Bereits zum fünften Mal machte die Friedrich-Ebert-Stiftung mit diesem kommunalpolitschen Planspiel Politik für Jugendliche erfahrbar und städtische Entscheidungsprozesse nachvollziehbar. Dafür hatte sie die 11. Klasse des Einstein-Gymnasiums eingeladen, eine Sitzung der Stadtverordnetenversammlung selbst zu gestalten. Und so informierten sich die Jungs und Mädchen im Vorfeld in Zeitungsarchiven und im Internet über aktuelle politische Debatten und besuchten eine Informationsveranstaltung der Stadtwerke. Eigenständig bildeten sie die Fraktionen, erarbeiteten verschiedene Themenkomplexe für die Fragestunde und formulierten ihre Anträge zur „Bebauung des Brauhausberges mit einem Bad nach den Entwürfen Oscar Niemeyers“.

Dass dabei einige Details nicht ganz stimmten, daran störten sich Jakobs und seine Beigeordneten nicht wirklich. Ganz im Gegenteil: Als die CDU-Fraktion davon sprach, dass die Fördergelder für das Projekt bereits bewilligt seien und es daher unsinnig wäre, sie bei einem negativen Bescheid über das Bad verfallen zu lassen, da freute sich Jann Jakobs für einen Augenblick und interpretierte das als Anzeichen dafür, dass der von der CDU gestellte Wirtschaftsminister seine Meinung diesbezüglich bald ändern werde.

Franziska Riemann, an diesem Nachmittag CDU-Fraktionsvorsitzende, fand jedenfalls Gefallen an ihrem Ausflug in die Politik. „Das war sehr interessant“, sagte die 17-Jährige im Anschluss an die zweistündige Sitzung. Nur die Ablehnung ihres Fraktionsantrags habe ihr „nicht gut gefallen“. Ob eine Karriere in der Politik für sie in Frage kommt? „Da bin ich mir noch nicht sicher.“

Sicher war sich hingegen Jann Jakobs, der nach der letzten Abstimmung das Interesse der Jugendlichen an der Kommunalpolitik lobte. „Man hat schon gemerkt, dass sie sich intensiv darauf vorbereitet haben“, sagte er, während Hans-Jürgen Scharfenberg, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei.PDS, neben ihm stand. Am kommenden Mittwoch dürfen sie dann wieder mit ihren erwachsenen Partei-Kollegen über das Niemeyer-Bad streiten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })