Landeshauptstadt: Verwundert über die eigene Verwunderung
Deutsch-polnische Begegnung auf dem Widerstands-Gut Kreisau: „Diffuse Vorstellung vom Nachbarland“
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Eigentlich müsste sie mal wieder eine Mail schreiben – an Susanna, ihre polnische Brieffreundin. Die 18-jährige Luise Mrowietz hatte die ein Jahr jüngere Jugendliche das erste Mal bei einer organisierten Jugendbegegnung getroffen. „Wir stellten ganz schnell fest, dass wir beide den Interpreten Timberland toll finden“, erzählt Luise. Die Schülerin am Einstein-Gymnasium war damals sehr verwundert darüber, dass die Musik des US-amerikanischen HipHopers schon bis zum Nachbarland vorgedrungen war. Die Vorstellungen von Polen seien sehr diffus gewesen, sagte Luise, die heute selbst verwundert über ihre eigene Verwunderung ist. Obwohl inzwischen zur EU gehörig habe sie keine Beziehung zu Polen gehabt. „Ist schon komisch, dabei ist das Land gleich nebenan.“ Auch Mitschüler hätten sich gewundert: Ferien in Polen?
Erst mit den Urlaubsplänen für die vergangenen Sommerferien habe auch sie angefangen, etwas über den 2004 der Europäischen Union beigetretenen Staat zu lesen. In Vorbereitung auf die Begegnung in Kreisau, die die Frauenorganisation Soroptimist International (SI) ermöglicht hatte. Sowohl der Club Potsdam als auch der Club Gdansk sowie die Deutsche Union der Sorores beteiligten sich finanziell an dem Treffen der jungen Frauen. Das Verhältnis der Teilnehmerzahl allerdings spiegelt die Interessenslage wieder: Zehn Polinnen und nur vier Deutsche nahmen an der arbeitsintensiven Woche teil. Warum das so ist, dafür hat die 18-jährige Potsdamerin keine Erklärung. „Ich würde jedem so ein Treffen empfehlen“, sagt sie.
Kreisau oder auch heute Krzyzowa – im Zweiten Weltkrieg geheimer Treffpunkt des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus – ist heute unter Trägerschaft der Freya von Moltke-Stiftung ein Ort für Europäische Verständigung.
Die habe vor allem in englischer Sprache stattgefunden, erzählt Luise. In der Woche auf dem Moltke-Gut hätten sich die Teilnehmerinnen mit „Frauen im Widerstand“ befasst. Dieses Thema hätten die SI-Clubs vorgegeben. Anna Walentynowicz (und der Aufstand der Werft), Sophie Scholl (Konflikt zwischen Liebe und konsequenter antifaschistischer Haltung) sowie Freya von Moltke (und ihre Idee einer Jugendbegegnungsstätte) beschäftigen die jungen Frauen. Damit es tatsächlich auch zum Austausch kam, hätten die Organisatorinnen darauf geachtet, dass je Gruppe eine Deutsche vertreten sei „und wir nicht Grüppchen bilden“, sagt Luise. Das Arbeitspensum sei groß gewesen. Nach Frühstück, Mittag- und sogar Abendessen ging es wieder in den Workshop. Wenig Zeit also zum Entspannen und zum Quatschen. Dabei hätte sie gerne erfahren, „wie die Polen so leben. Ich hätte mir auch gerne eine Wohnung angesehen.“ Für das persönliche Kennenlernen habe es nur ein Volleyballspiel und einen Lagerfeuerabend gegeben. Und am Schluss haben die Teilnehmerinnen Adressen ausgetauscht – mit dem Versprechen, in Kontakt zu bleiben.Nicola Klusemann
Nicola Klusemann
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