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Finanziert auch mit Studentenbeiträgen. Der AStA schloss Verträge mit „Freiland“. 35 000 Euro flossen in das Jugendkulturzentrum.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Vetternwirtschaft unter Studenten

Filzvorwürfe gegen Studentenvertreter der Universität Potsdam wegen „Freiland“-Förderung : AStA bestreitet Interessenkonflikt zweier seiner Referenten

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Es geht um fragwürdige Interessenkonflikte und 35 000 Euro für das linksalternative Jugendzentrum „Freiland“: Filzvorwürfe gegen Studentenvertreter der Universität Potsdam, die Semesterbeiträge ihrer Kommilitonen für einseitige Klientelpolitik zugunsten linker Projekte verwenden sollen, erhalten neue Nahrung.

Im Zentrum steht dabei die Förderung für „Freiland“ in der Friedrich-Engels-Straße. Die Verträge dazu wurden zwischen dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) und der Freiland-Betreibergesellschaft Cultus UG geschlossen. 10 000 Euro gab es aus der Kasse des AStA für die Sanierung von Seminarräumen und 25 000 Euro für eine Musik-Anlage, die jetzt im „Freiland“-Veranstaltungssaal steht. Dieser Saal wird nicht von der Cultus UG, sondern vom Verein Spartacus e.V. vor allem für Partys und Konzerte genutzt.

Was nun bekannt wird: Die Chefin des Spartacus e.V., Claudia Fortunato, ist zugleich die Kultur-Referentin des AStA. Der stellvertretende Vereinschef des Spartacus, Roland Gehrmann, ist beim AStA als Referent für Hochschulpolitik tätig. Trotz ihrer Doppelfunktion seien Fortunato und Gehrmann an den Vertragsverhandlungen zur Anlage beteiligt gewesen, räumte AStA-Sprecher Daniel Sittler gegenüber den PNN ein – wenn auch „lediglich beratend“.

Damit aber werde gegen das Mitwirkungsverbot für Volksvertreter verstoßen, sagte Jochen Bäumel, Vorstand bei der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International, gegenüber den PNN nach Sichtung der Sachlage. Das Mitwirkungsverbot müsse auch in studentischen Gremien wie dem AStA beachtet werden, schon weil dort über die Verwendung von studentischen Zwangsbeiträgen entschieden werde. Und laut dem Mitwirkungsverbot dürften ehrenamtlich Tätige an Vereinbarungen auch nicht beratend mitwirken, wenn diese einen unmittelbaren Vorteil für etwa einen Verein bringen, den sie vertreten. Eine Personalunion wie bei den AStA-Referenten dürfe es nicht geben, so Bäumel: „Das kann nicht sein.“

AStA-Sprecher Sittler argumentiert dagegen, die Referenten hätten ihre Doppelrolle „stets transparent“ gemacht. Geführt hätten die Verhandlungen der zweite Kulturreferent Benjamin Mosebach und der AStA-Finanzer Alexander Gayko. Bei allen das Thema betreffenden Abstimmungen hätten Fortunato und Gehrmann sich „immer enthalten“ oder gar nicht erst teilgenommen, so Sittler – auch bei der entscheidenden Abstimmung im Studentenparlament (Stupa). Daher sei der Vorwurf eines Interessenkonflikts „ nicht haltbar“.

Wie Fortunato tatsächlich bei den Vertragsverhandlungen agierte, geht aus dem den PNN vorliegenden E-Mail-Verkehr zwischen dem vor allem von linken Wahllisten dominierten Stupa und dem von ihm eingesetzten AStA hervor. So kritisierte das Stupa-Oppositionsmitglied Björn Ruberg von der Grün-Alternative Liste (GAL) am 25. November 2011, der AStA müsse in den Gesprächen zu „Freiland“ auch im Stupa geäußerte Wünsche vertreten. Fortunato antwortete ablehnend: „Den AStA als ausführendes Organ für jegliche im Stupa geäußerte Meinung zu sehen, lehne ich für mich persönlich strikt ab.“ Außerdem sendete die Referentin auch Entwürfe zu den Verträgen an das Stupa. Aktuell organisiert Fortunato das Sommerfest der Studenten, das Anfang Juni im „Freiland“ stattfindet – inklusive einer Party in der Spartacus-Halle.

Gehrmann wiederum warb vor der Stupa-Entscheidung zu den „Freiland“-Verträgen am 16. Dezember 2011 laut Protokoll der Sitzung explizit für die Kooperation – ohne seine Doppelrolle zu benennen. Kritik an den Verträgen sei „politisch motiviert“, hielt er der Stupa-Opposition vor. Man müsse die „Chancen“ des Projekts sehen, so Gehrmann. Vertreter der Opposition wie Ruberg von der GAL oder Norman Siewert vom Ring christlich-demokratischer Studenten (RCDS) sagten auf PNN-Anfrage, über die Funktionen von Fortunato und Gehrmann im Spartacus e.V. sei ihnen nichts bekannt gewesen. AStA-Sprecher Sittler sagte dagegen, über die Doppelrolle hätten zumindest jene Oppositionsvertreter Bescheid gewusst, die an den „Freiland“-Verhandlungen beteiligt gewesen seien. Bäumel von Transparency International sagte, Doppelfunktionen wie im Falle von Fortunato und Gehrmann müssten allgemein offen gelegt werden – etwa im Internet.

Bereits während der Sitzung zur „Freiland“-Förderung hatte es Streit gegeben. So verließen Oppositionsvertreter wie von der GAL kurz vor der Abstimmung den Raum, in der Absicht, das Stupa mangels anwesender Parlamentarier beschlussunfähig zu machen. Das misslang – ohne Gegenstimmen und bei einer Enthaltung wurden die Verträge beschlossen. Auch dieser Umstand ist für AStA-Sprecher Sittler ein Argument für Fortunato und Gehrmann: Die Referenten seien nie in einer Position gewesen, in der ein eventueller Interessenkonflikt die Entscheidung hätte beeinflussen können. Sittler betonte auch die Vorteile, die sich für die Studenten der Universität durch die Kooperation ergäbe. Auch die Uni-Leitung hat bisher keine Zweifel an den Verträgen, sagte eine Sprecherin. Die Opposition dagegen zieht den Nutzen der Verträge für die Studenten generell in Zweifel (siehe Kasten).

Wie berichtet hatte der AStA schon Anfang der Woche Vorwürfe des RCDS bestritten, die Studentenvertreter würden Gelder ihrer Kommilitonen veruntreuen. Gegen ein früheres AStA-Team ermittelt bereits die Staatsanwaltschaft wegen dessen Finanzgebarens . Für studentische Projekte kann der AStA über rund 70 000 Euro im Jahr frei verfügen. Einmal pro Jahr können die Studenten ein neues Stupa und damit auch die Ausrichtung des AStA bestimmen. Allerdings liegt die Wahlbeteiligung bei nur rund 20 Prozent.

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