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Pflanzengift Glyphosat im Bier: Viel Schaum um nichts?
Eine Studie für das Münchner Umweltinstitut hat Spuren von Glyphosat im Bier gefunden. Wie schädlich das für den Menschen ist, darüber gehen die Ansichten auseinander.
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München - Kurz vor der Entscheidung zur Verlängerung der Zulassung des umstrittenen Pestizids Glyphosat um 15 Jahre durch die EU-Kommission hatte am Donnerstag eine neue Studie für Aufsehen gesorgt. Das Münchner Umweltinstitut hat 14 der beliebtesten Biermarken Deutschlands testen lassen und dabei Spuren des Unkrautvernichters Glyphosat gefunden. Die Werte lagen zwischen 0,46 und 29,74 Mikrogramm pro Liter (also 29,74 Nannogramm pro Milliliter). Das würde im extremsten Fall fast 300-fach über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser von 0,1 Mikrogramm pro Liter liegen.
Das Umweltinstitut München gilt als Lobbygruppe von Umweltaktivisten
Das Umweltinstitut hatte die Nachricht just an dem Tag lanciert, an dem die Grünen per Bundestagsabstimmung die baldige Neuzulassung des umstrittenen Pestizids stoppen wollten. Der Antrag fand keine Mehrheit. Der Aufschrei in der Medienlandschaft über das Gift im Bier hingegen war groß. Schnell verbereitete sich die Nachricht über Internetmedien und Soziale Netzwerke, ohne dass die Aussagen überprüft wurden. Mittlerweile wird das Ergebnis des Münchner Umweltinstituts differenzierter betrachtet. Denn der Vergleich mit dem deutschen Trinkwasser-Grenzwert hinkt ein wenig: dieser Grenzwert ist in Deutschland besonders streng bemessen. In den USA sind beispielsweise rund 700 Nannongramm Glyphosat pro Milliliter Trinkwaser zuzlässig – was über 20 mal so hoch ist, wie beim am stärksten belasteten Testbier. Wissen sollte man auch, dass das Umweltinstitut München kein öffentlich gefördertes Forschungsinstitut ist, sondern ein durch Spendengelder finanzierter Verein, der als Lobbygruppe von Umweltaktivisten gilt. Das ausführdende Labor für die Bier-Studie wurde zudem nicht benannt.
Die WHO hält Glyphosat für wahrscheinlich krebserregend
Das Pflanzengift steht im Verdacht krebserregend zu sein. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO (IARC) stufte Glyphosat Ende Juli 2015 als wahrscheinlich krebserregend ein. Sie bezieht sich dabei vor allem auf Ergebnisse von Tierversuchen. Glyphosat wurde laut IARC auch in Böden, Gewässern und Grundwasser gefunden. Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) kam im November 2015 hingegen zu dem Schluss, es sei „unwahrscheinlich, dass von Glyphosat eine Krebsgefahr ausgeht“. Sie habe dabei auch die IARC-Daten berücksichtigt. Einer ihrer Experten hatte dieser Aussage jedoch nicht zugestimmt. Die Efsa empfiehlt trotz ihrer Entwarnung, die tägliche Aufnahme von Glyphosat beim Menschen auf 0,5 Milligramm (Tausendstel Gramm) pro Kilogramm Körpergewicht zu begrenzen. Im Bier wurden nun Glyphosat-Mengen von bis zu 30 Mikrogramm (Millionstel Gramm) pro Liter gefunden. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht keine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher. Glyphosat-Rückstände in Bier seien aus wissenschaftlicher Sicht plausibel und grundsätzlich erwartbar, da Glyphosat ein zugelassener Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff sei. Selbst die höchsten Werte von rund 30 Mikrogramm pro Liter seien so niedrig, dass die rechnerisch resultierende Aufnahmemenge bei einem Erwachsenen mehr als 1000-fach niedriger liege als die derzeit als unbedenklich geltenden Aufnahmemengen, teilte das BfR auf Anfrage mit. „Um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzunehmen, müsste ein Erwachsener an einem Tag rund 1000 Liter Bier trinken.“
Pflanzenbiologe aus Hannover sieht einen Rechenfehler
Einen Fehler in der Messmethode vermutet gar der ehemalige Leiter der Abteilung Pflanzenbiotechnologie am Institut für Pflanzengenetik der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Hans-Jörg Jacobsen. Das Umweltinstitut hatte angegeben, unter anderem die sogenannte Elisa-Methode verwendet zu haben, die besonders sensibel sei. „Mit einer Bestimmungsgrenze von 0,075 Mikrogramm pro Liter (enstprechend 75 Nanogramm pro Liter, d. Red.) kann sie selbst sehr kleine Spuren von Glyphosat aufspüren“, hieß es. Die Bestimmungsgrenze von Glyphosat mittels Elisa betrage hingegen nach Herstellerangaben 75 Nanogramm pro Milliliter und nicht „pro Liter“, so Jacobsen. Das wäre also um den Faktor 1000 weniger empfindlich, als vom „Umweltinstitut“ behauptet. Die beiden vom BfR entwickelten Methoden hingegen hätten eine untere Nachweisgrenze von einem Nanogramm pro Milliliter, so Jacobsen „Bei einem Irrtum um den Faktor 1000 kommen schon Fragen auf.“
Gesamtsumme von aufgenommenem Glyphosat sollte betrachten werden
Dass Glyphosat im Bier ist, hat niemanden wirklich überrascht, denn es wird beim Getreideanbau weit verbreitet eingesetzt. Durch die Gerste kann es in das Getränk gelangen. Da das Gift mittlerweile in vielen Lebsnmitteln nachweisbar ist, weisen Experten darauf hin, dass bei der Diskussion um Grenzwerte immer auch die über den Tag aufgenommene Gesamtsumme betrachten werden sollte. Auch das Münchner Umweltinstitut bekräftigt indes seine Ergebnisse. „Es ist erschreckend, dass ausgerechnet eine für Verbraucherschutz zuständige Bundesbehörde die Gefahren von Glyphosat herunterspielt“, sagte Karl Bär, Referent für Agrarpolitik beim Umweltinstitut. „Wenn ein Stoff mit hoher Wahrscheinlichkeit krebserregend ist, haben auch geringe Mengen bereits das Potenzial, Schaden anzurichten.“ Eine sichere tägliche Aufnahmedosis könne somit nicht benannt werden. „Die Behauptung des BfR, man müsse schon 1000 Liter Bier trinken um eine gefährliche Menge Glyphosat aufzunehmen, ist geschickte Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der chemischen Industrie.“Die Position des BfR basiere auf der hoch umstrittenen Einschätzung des Bundesinstituts, Glyphosat wäre nicht krebserregend.
Wer sicher gehen will, hält sich entweder an die am wenigsten belasteten Biere, darunter alle bayrischen Test-Sorten, oder greift gleich zum Biobier, das aufgrund der pestizidfreien Anbaumethoden nur geringste Spuren von Glyphosat - von konventionellen Nachbarfeldern - enthalten dürfte. (mit dpa)
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