zum Hauptinhalt

Homepage: Vieldeutiges Symbolbild Warum der Handschlag von

Hindenburg und Hitler am „Tag von Potsdam“ nicht das war, wofür er heute gehalten wird

Die feierliche Eröffnung des neu gewählten Deutschen Reichstags am 21. März 1933 in der Potsdamer Garnisonkirche wird heute noch weithin als Verbrüderung der Nationalsozialisten mit dem alten Preußen gesehen. Für die Gegner des Wiederaufbaus der Kirche ist dies ein wichtiges Argument gegen das Gotteshaus. Historiker sehen den zum Mythos gewordenen „Tag von Potsdam“ hingegen differenzierter. Der Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF), Martin Sabrow, spricht gar von einer belanglosen Zeremonie, da die tatsächliche Reichstagseröffnung erst später am Tag in der Berliner Kroll-Oper stattfand. Von den Nazis nicht als Propagandaakt angelegt, sei der Handschlag von Hitler und Hindenburg erst im Nachhinein zum Symbolbild gemacht worden. Überhaupt stehe der Tag mehr für die Verbindung von Massenbegeisterung mit der vermeintlichen konservativen Zähmung Hitlers als für einen Geniestreich der NS-Propaganda.

Das Bild vom Handschlag des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg mit Reichskanzler Adolf Hitler ist weltbekannt. Doch zeigt es nicht – wie oft kolportiert – die Besiegelung eines konservativ-faschistischen Paktes, sondern eigentlich nur einen profanen Abschiedsgruß. Seine Wirkung habe das Bild nicht im Dritten Reich, sondern erst nach dem Krieg erlangt, erklärte der Historiker John Zimmermann vom Potsdamer Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw).

Die historische Forschung konnte die Legende vom Propagandaakt zur Verbindung der alten mit den neuen Eliten mittlerweile dekonstruieren. Die Nationalsozialisten nutzten das Handschlag-Foto von Eisenhart anfangs nur wenig. Denn die Nazis bevorzugten die Bilder der jubelnden Massen. So waren an dem Märztag Zehntausende Bürger vor der Potsdamer Nikolaikirche zusammengekommen, um Reichspräsident Hindenburg in Empfang zu nehmen, der dort vor dem Staatsakt in der Garnisonkirche den Gottesdienst besuchte.

Die weitverbreitete Auffassung, dass hinter dem Händedruck von Hitler und Hindenburg ein bestens inszenierter Volksbetrug der Nationalsozialisten gesteckt habe, ist nach Ansicht von ZZF-Historiker Sabrow falsch. Nicht die listige Propaganda von Joseph Goebbels habe den Tag geprägt, sondern vielmehr die Rolle der deutschen Bevölkerung. „Längst ist der totalitäre Verführer Hitler in einen Interpretationsrahmen gestellt worden, der seine Macht und seine zunehmende Handlungsradikalität entscheidend auf die messianische Führersehnsucht in der deutschen Gesellschaft und ihre Bereitschaft zurückführt, dem Führer entgegenzuarbeiten“, so Sabrow. Für John Zimmermann markiert der „Tag von Potsdam“ heute den endgültigen Untergang der Weimarer Demokratie und die scheinbare Legitimierung eines zwölfjährigen Rechtsbruches – aber auch die Selbstviktimisierung der Deutschen nach 1945.

Am 21. März 1933 fand in der Potsdamer Garnisonkirche eine zeremoniale Auftaktveranstaltung zur Eröffnung des am 5. März neu gewählten Reichstags statt, da zuvor der Berliner Reichstag abgebrannt war. Die kommunistischen Abgeordneten des Reichstags und führende SPD-Politiker waren bereits verhaftet oder auf der Flucht. Die Sozialdemokraten boykottierten die Veranstaltung. Auf den Straßen der Stadt hatten Zehntausende Menschen die Feier zur Reichstagseröffnung begleitet. Kix

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false