Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920: Vier Potsdamer von der Schlosswache erschossen
Während des Kapp-Lüttwitz-Putsches kamen in Potsdam 1920 vier Menschen ums Leben. Nun will man ihrer im Stadtbild gedenken.
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Potsdam - Es dürfte nur selten vorkommen, dass sich Stadtverordnete nochmals mit einer Frage beschäftigen, zu der schon rund 100 Jahre zuvor städtische Abgeordnete einen Beschluss gefasst hatten. Anlass für diesen ungewöhnlichen Vorgang, der derzeit in der Potsdamer Stadtpolitik läuft, ist der Kapp-Lüttwitz-Putsch von März 1920, der reichsweit etwa 1500 Menschen das Leben kostete. In Potsdam wurden während der Unruhen am 16. März 1920 vier Bürger von der Schlosswache erschossen, mindestens elf Menschen erlitten Verletzungen. Bereits am 31. März 1920, also wenige Tage nach dem Scheitern des Putsches, hatten die Potsdamer Stadtverordneten mehrheitlich einen Gedenkstein zur Erinnerung an die Opfer des Kapp-Lüttwitz-Putsches abgelehnt. Nun, 97 Jahre später, steht die Frage nach dem Gedenken wieder auf der Agenda der Stadtpolitik. Den Anstoß dafür gab vor zwei Jahren die Linksfraktion in der Stadtverordnetenversammlung. In der kommenden Woche will der Kulturausschuss darüber beraten, wie ein würdiges Gedenken an die Opfer aussehen könnte. Von einer möglichen Gedenktafel im Boden nahe dem Stadtschloss ist die Rede.
Unruhen im ganzen Land, auch in Potsdam
Mit dem Kapp-Lüttwitz-Putsch hatte man 1920 die noch junge Weimarer Republik stürzen wollen – und damit im ganzen Land, unter anderem in Potsdam, Unruhen ausgelöst. Die Novemberrevolution, die das Ende der Monarchie bedeutet hatte, lag noch keine zwei Jahre zurück. Viele der Putschisten waren Reichswehrangehörige, unter ihnen Freiherr Walther von Lüttwitz, General des Reichswehrkommandos I in Berlin. Auch wenn heute häufig nur vom Kapp-Putsch die Rede ist und Lüttwitz im Namen für den Umsturzversuch bisweilen nicht vorkommt, so war dieser General doch die Hauptperson jenes kämpferischen Versuchs, das Rad der Geschichte gewissermaßen zurückzudrehen. Lüttwitz wollte die im Versailler Vertrag vereinbarte radikale Verkleinerung der Reichswehr zumindest teilweise verhindern – und selbst zum Oberbefehlshaber der Truppe aufsteigen.
Reichspräsident Friedrich Ebert und Reichswehrminister Gustav Noske (beide SPD) lehnten ab. Es kam zu einer militärischen Auseinandersetzung, in deren Folge die Regierung aus Berlin nach Stuttgart floh. Ebert und die der SPD angehörenden Regierungsmitglieder riefen zum Generalstreik auf. Das daraufhin einsetzende völlige Erliegen des öffentlichen Lebens im Deutschen Reich hatte schließlich maßgeblichen Anteil daran, dass der Putsch nach wenigen Tagen scheiterte. Es gab an vielen Orten im Reich massive Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Putschisten und Demonstranten, die sich gegen die nationalkonservative Rolle rückwärts der Leute um Lüttwitz aussprachen.
Auf Demonstrationsteilnehmer wurde geschossen
In Potsdam waren am 15. März 1920 die ersten Betriebe dem Streikaufruf gefolgt. Am 16. März führte dann ein Demonstrationszug von Kapp-Putsch-Gegnern vom Luisenplatz aus in Richtung Stadtschloss, wo auf Teilnehmer geschossen wurde. In einem behördlichen Bericht wird später von 1000 Demonstranten die Rede sein. Ob es wirklich so viele Menschen waren, die ihrem Unmut freien Lauf ließen, ist nicht so sicher. Möglicherweise waren es nicht ganz so viele. Vielleicht sollte mit der Angabe einer übertrieben hohen Teilnehmerzahl der Schusswaffeneinsatz gegen die Demonstranten nachträglich legitimiert werden. Auf diese Möglichkeit weist der Historiker Christian Perseke hin, der kürzlich für die Potsdamer Stadtverwaltung die Geschehnisse des 16. März 1920 in Potsdam untersucht hat. Von ihm liegt nun eine Dokumentation der Ereignisse vor. Perseke hat dafür in alten Zeitungen und behördlichen Dokumenten recherchiert. Sein Fazit: Im Vergleich zu anderen Städten verliefen die Auseinandersetzungen in Potsdam noch relativ glimpflich – trotz der vier Opfer, die im Umfeld des Stadtschlosses von der Schlosswache erschossen wurden. Der Kommandant der Garnison Potsdam, Walter Wilhelm Heinrich Adolf Joachim von der Hardt, hatte, wie Perseke schreibt, einen Brigadebefehl an die Truppen herausgegeben, „in welchem er das härteste Vorgehen gegen die Streiks“ angeordnet habe.
Die Rolle von Oberbürgermeister Kurt Vosberg beschreibt Perseke als ambivalent: Der Politiker habe sich zwar offenbar an die Gesetze gehalten. Dennoch ist sich der Historiker sicher: „Vosberg ist auf jeden Fall auf der Seite der Putschisten gewesen.“ Ein Disziplinarverfahren, das gegen Vosberg wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung am Umsturzversuch eingeleitet wurde, sei später eingestellt worden.
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