Landeshauptstadt: Visionen für Arbeit
Uwe Braun aus Nordbrandenburg investiert mit Hasso Plattner in Golm, weil er in seine neue Heimat Lenzen nicht genug Fachkräfte locken konnte
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Berliner Vorstadt / Golm - Die fehlenden Visionen der AEG-Vorstandsmitglieder machten Uwe Braun verrückt. Mitten in einer Vorstandssitzung sprang er auf und kündigte seinen Job. Das war vor elf Jahren: ohne in die Arbeitslosigkeit zu gehen hat der Maschinenbau-Ingenieur ein Unternehmen im nordbrandenburgischen Lenzen aufgebaut. Inzwischen besitzt er 168 anerkannte Patente, mit „Sebili“ ein womöglich revolutionäres System für mehr Verkehrssicherheit und mit Softwaremilliardär Prof. Hasso Plattner einen strategischen Partner für neue Investitionen. In Golm wollen Plattner und Braun etwa 28 Millionen Euro investieren und 200 neue Arbeitsplätze schaffen. Der Anfang von einer Vielzahl neuer Braun-Projekten.
Der Bayer aus Nordbrandenburg hat Visionen: Menschen in Arbeit bringen, Zukunftstechnologien entwickeln, nicht im Ausland für den eigenen Markt produzieren. Die Ideale des mehrfachen Innovationspreis-Siegers Berlin-Brandenburg wirken in Zeiten der Industrieabwanderung in Billigproduktionsländern erfrischend. Er legt Wert auf das Label Made in Germany, obwohl er selbst künftig im Ausland produzieren will. China und die USA sind als Fabrikationsstätten im Gespräch für seine Produkte, um den Markt zu erobern. Lieferungen von da aus nach Europa oder Deutschland lehnt er jedoch ab. Damit würde er sich seinen eigenen Markt kaputt machen, argumentiert der 49-Jährige.
Der Unternehmer erarbeitet optische Technologien, zuletzt das System Sebili. Eingebaut in ein Fahrzeug soll es für eine geringere Blendung durch entgegenkommende Fahrzeuge, für ein reduziertes Einschlafrisiko des Fahrers sowie bessere Pupillenanpassung bei der Tageseinfahrt in einen dunklen Straßentunnel sorgen. Selbst das Fraunhofer-Institut hat diese Wirkung bestätigt. Die Nachfrage nach der innovativen Technologie habe die Suche nach einem Namen dafür überrollt, sagt er. Denn Sebili sei ein Arbeitstitel gewesen und bestehe aus den Anfangsbuchstaben von Sehen, Bildverarbeiten und Licht. Dass Sebili zudem in der Türkei ein Titel ist wie in Deutschland Fürst oder Herzog, habe dem Erfolg im potenziellen EU-Staat nicht geschadet. Die Angebote, die Fabrik dafür dahin zu verlegen, waren finanziell verlockend, gibt Braun unumwunden zu. Dennoch habe er sich für Golm entschieden, an dem Standort mit dem deutschen Mindest-Gewerbesteuerhebesatz von 200 Prozent. Zum Vergleich: in Potsdam gelten sonst die höchsten Gewerbesteuersätze im Land Brandenburg. Dass dies so sei, habe er erst im Nachhinein erfahren. Sein Credo laute, wer nur auf Fördergelder abzielt, sei wenig innovativ.
Auch die bundesweite Vergabe von Forschungsgeldern ärgern den Inhaber eines mittelständischen Unternehmens. Großunternehmen wie Siemens bräuchten kein öffentliches Geld für die Forschung. Einerseits, weil sie zu 75 Prozent im Ausland forschen. Andererseits, weil sie ohnehin forschen müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Er empfiehlt der Politik, sich nicht von den Großunternehmen erpressen zu lassen. Vielmehr müsse der Mittelstand in diesem Land nachwachsen.
18 000 Quadratmeter will er im Potsdamer Ortsteil zwischen der Bahnstrecke und dem Wissenschaftspark im ersten Abschnitt bebauen lassen. Weitere Grundstücke würden in der Reserve stehen, für Erweiterungen. Aber auch in den Grauen Kasernen will Braun, der seinen Wohnsitz von Lenzen nach Potsdam verlegt und künftig am Glienicker Horn wohnen wird, noch in diesem Jahrzehnt mit einer Denkfabrik für Zukunftstechnologien starten. Die Grauen Kasernen werden auch von Hasso Plattner entwickelt und sollen eine Mischung aus Wohnen und Forschen werden. Dort stellt sich Braun Technologieentwicklungen in einer Denkfabrik vor, die weit weg von seiner jetzigen Entwicklung optischer Systeme sind.
Angefangen hatte vor elf Jahren alles mit der Gestaltung von Außenleuchten, doch schnell hatte Braun sich dem Markt angepasst und in die Zukunft investiert. Die Bedingungen dafür ebnete die damalige Bürgermeisterin von Lenzen, Dagmar Ziegler (SPD), doch nun sei das Ende der Wachstumsspirale erreicht. Drei Jahre lang habe er versucht, die nötigen Fachkräfte in den nordwestlichsten Zipfel Brandenburgs zu bekommen. Vergeblich. Also werde er nun zu den Fachkräften kommen. In den Wissenschaftspark Golm.
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