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Kolumne: Etwas HELLA: Volkswiesen hochgestapelt

Es grünt so grün, wenn Potsdams Hotelhochhäuser blüh’n beziehungsweise Wiesen des Volkes in die Höhe gestapelt werden. Die kuriosen Geschichten um das Mercure am Hafenbecken sind kaum noch zu überbieten.

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Es grünt so grün, wenn Potsdams Hotelhochhäuser blüh’n beziehungsweise Wiesen des Volkes in die Höhe gestapelt werden. Die kuriosen Geschichten um das Mercure am Hafenbecken sind kaum noch zu überbieten. Die Begrünung von Balkons, die es gar nicht gibt und die wegen der Sanierungssperre natürlich auch nicht angebaut werden dürfen, ist so eine. Aber nach all den Verrenkungen um den Abriss, dem Bau einer Kunsthalle an Stelle des Selbigen, einem Kauf des Hochhauses durch die Stadt und einem Weiterbetrieb des Hotels durch die Pro Potsdam bis hin zur Bürgerinitiative, die es nicht missen möchte und schon fast 14 000 Unterschriften für den Hotelerhalt gesammelt hat, scheint die neue Entwicklung doch auch ihr Gutes zu haben. Das Hochhaus wird – zumindest absehbar – nicht abgerissen, der neue Besitzer hält offenbar an ihm fest.

Ich habe mich zwar schon die ganze Zeit gewundert, dass das Fell des Bären – sprichwörtlich – zu einem Bettvorleger verarbeitet werden sollte – ehe man ihn überhaupt erlegt hat. Aber die Gedanken sind schließlich frei und das Stadtparlament darf Kraft seiner Befugnisse auch eine Menge beschließen, was nicht geht. Gerade liefert es wieder den Beweis. Es fragt Nutzungen der Schlossgärten ab, die laut Stiftungssatzung verboten sind. Wenn ich allerdings an die Länge der Sitzungen denke, an die Vertagungen, weil die Stadtverordneten wichtige Punkte nicht abarbeiten konnten, dann frage ich mich, warum es ausgerechnet Streitereien um ein Bärenfell... na, Sie wissen schon. Es entsteht fast der Eindruck, der Oberbürgermeister hat eine kahle Stelle vorm Kamin in seinem neuen Haus. Pardon, das geht mich nun wiederum nichts an.

Also, die Begrünung des Hotels bis in seine obersten Stockwerke wie der Potsdamer Architekten Frederic Urban sie vorgeschlagen hat, finde ich super. Man könnte ja erst einmal mit ein paar Lorbeerbäumchen auf den bereits vorhandenen Balkons an der Schmalseite beginnen und oben drauf einen kleinen märkischen Kiefernwald pflanzen. Auch das verbessert die Luft an der Langen Brücke erheblich. Später kommen dann hängende Gärten dazu, die das Haus zum neuneinhalbten Weltwunder machen, die Sanierungssperre wird aufgehoben, die Fassade in preußisch Ocker getaucht und mit roten Adlern verziert. Ehe es dann doch abgerissen wird. So in 20 bis 30 Jahren. Dann nämlich hat es der Besitzer selber satt und möchte am Stadtrand ein Barockhotel bauen. Den Abriss erledigt das marode Hotel im Alleingang. Fast kostenlos. Bis dahin und auch die nächsten hundert Jahre befindet sich die Wiese des Volkes gleich gegenüber, auf der Freundschaftsinsel. Zwar erfreuen die dort bereits lustvoll Lagernden nicht immer die Inselgärtner, denn sie lassen trotz der Papierkörbe eine Menge Müll liegen. Da aber offenbar in Bälde kein Abrissgeld gebraucht wird, könnte die Stadt vielleicht die Mittel für die Inselbetreuung etwas aufstocken.

Am 6. August ist auf der Freundschaftsinsel übrigens Südkorea zu Gast. Und regt zum Nachdenken an. Dessen Hauptstadt Seoul hat es nämlich geschafft, Anfang 2000 einen Fluss zu renaturieren und daraus einen 3670 Meter langen Stadtkanal sozusagen aus dem Straßenasphalt zu stampfen. Als Luftverbesserer und Flaniermeile des Volkes.

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.

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