Landeshauptstadt: Volkszorn gegen den Maschendrahtzaun
Rund um den Groß Glienicker See tobt der Nachbarschaftskrieg – es geht um Bauprojekte und den Seezugang
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Groß Glienicke - Das Gute ist: Das einst stark belastete Wasser im Groß Glienicker See hat dank umfangreicher Sanierungsmaßnahmen wieder gute Qualität. Das Schlechte: An den Ufern ringsum herrschen Streit und Missgunst. Es geht, ähnlich wie auch am Griebnitzsee, vor allem um den freien Zugang zum See.
Anfang der 90er Jahre hatte der Bund, der das ehemalige DDR-Sperrgebiet und die Hälfte des Sees (die andere gehört zu Berlin) nach der Wende übernommen hatte, einen Großteil der lukrativen Seegrundstücke an private Interessenten verkauft. Und zwar bis zur Wasserkante. Einige der neuen Eigentümer zäunten ihre Grundstücke umgehend ein. Dann aber erließ die heute zu Potsdam gehörende Gemeinde Groß Glienicke einen Bebauungsplan, nach dem der Uferstreifen frei zu halten ist. See samt Ufer wurden außerdem auf Potsdamer Seite zum Landschaftsschutzgebiet erklärt, in dem Zäune grundsätzlich verboten sind.
Seitdem schwelt der Zwist in Groß Glienicke. Er wird auf beiden Seiten gelegentlich mit harten Bandagen ausgetragen. Schon 1999 ging ein Holzzaun, mit dem Anwohner einen Trampelpfad am See gesperrt hatten, in Flammen auf. Zuvor hatte das Gemeindeblatt den „erneuten Mauerbau“ kritisiert. 2003 fiel an anderer Stelle eine Gruppe alter Erlen, die den Blick auf das Gewässer versperrten, einem Anschlag mit Unkrautvernichtungsmittel zum Opfer. Der Verursacher ist bis heute unbekannt. Wenig später wurde das dahinter liegende Freigelände bebaut.
Jüngster Fall: ein neu gebauter Maschendrahtzaun wurde des Nachts von Unbekannten auf nahezu ganzer Länge niedergelegt. Nur, um vom Eigentümer wieder aufgestellt zu werden. Insgesamt vier Uferabschnitte sind auf der rund einen Kilometer langen Strecke parallel zur Seepromenade von grünen Maschendrahtzäunen umgeben. Dahinter sieht man hier eine Kinderschaukel, dort eine Bank. Manche Nachbarn regt das auf. „Wir haben drei Jahre für die Genehmigung eines Steges gebraucht, und wir dürfen unser Gelände nicht einzäunen, sondern nur mit einer maximal 80 Zentimeter hohen Hecke umgeben“, schimpft Jörg Kirchhoff vom örtlichen Anglerverein.
Das Bauamt verlangt den Abriss der Zäune. In allen Fällen seien Verfahren eingeleitet, sagt Markus Beck, Chef der Bauaufsicht. Die Grundstückseigentümer wehren sich mit Widersprüchen und Klagen. Erste Fälle liegen beim Verwaltungsgericht. Auch Silvio Schade will nicht klein beigeben. Ihm gehört der niedergedrückte Zaun. Vor wenigen Wochen ist er mit seiner Familie in eine neu gebaute Villa an der Seepromenade gezogen. Laut Kaufvertrag gehört ihm der Grund und Boden bis zum Wasser einschließlich des entsprechenden Wegeteils. Das Uferstück hat er selbst erst einmal von Stacheldraht, Betonpfeilern und anderen Überresten der Grenzbefestigung befreit, sagt der Unternehmer. Seinen Zaun will er später durch eine Hecke ersetzen. Drei Jahre habe er auf die Baugenehmigung gewartet. Den Bußgeldbescheid über 5000 Euro für den illegalen Zaun hatte er bereits nach fünf Tagen auf dem Tisch. Statt zu streiten, würde Schade mit der Stadtverwaltung lieber über die Ufergestaltung reden, sagt der gebürtige Sachse, den man in Groß Glienicke dennoch öfters als „Wessi“ tituliert. Doch bisher sei dort niemand zu einem Gespräch bereit gewesen.
Ärger gibt es schließlich auch um den geplanten Bau eines Wellnesszentrums auf der in den See ragenden Halbinsel auf Berliner Seite. Das Grundstück gehörte bis vor kurzem Potsdam. Die Bürgerinitiative „Freunde der Halbinsel“ hat ein Bürgerbegehren gegen das Neubauvorhaben gestartet.Rainer W. During
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