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Von Henri Kramer: Voll drauf?
Drogenkonsum: Fachstelle „Chill Out“ sieht vor allem Gefahr durch immer schlechtere Qualität
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Bei Jugendlichen ist Kiffen out, Kokain dagegen in. Das meinen zumindest die Suchtexperten von „Chill out“, der Potsdamer Fachstelle für Konsumkompetenz, die seit Jahren für die Drogenberatung in der Stadt zuständig sind. „Kiffen gilt nach seiner Hochzeit in den 90er Jahren mehr und mehr als out“, sagt „Chill Out“-Leiter Rüdiger Schmolke. Bundesweit würde sich Kokain ausbreiten, wegen des hohen Preises allerdings auf niedrigem Niveau. Eine Sozialarbeiterin bestätigt das auch für Potsdam: Sie habe bereits mit Jugendgruppen zu tun gehabt, bei denen einige „voll auf Kokain“ waren.
Wie verbreitet Partydrogen wie Ecstasy und das sogenannte „GBH“ – auch „Liquid Ecstasy“ genannt – überhaupt in Potsdam sind, bleibt unklar. Bei der Polizei wird für die Landeshauptstadt ein Anstieg der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz registriert: 333 Fälle gab es 2009, im Jahr zuvor 267. Von aktuell 294 Tatverdächtigen waren 105 unter 21 Jahren alt – darunter auch zwei Kinder. Eine andere Entwicklung hat im vergangenen Jahr eine Umfrage des Landesgesundheitsamts unter Potsdamer Jugendlichen skizziert. Dabei wurden 900 Schüler zwischen 14 und 18 Jahren unter anderem gefragt, ob sie schon einmal Haschisch probiert hätten – 78 Prozent der Teilnehmer sagten „noch nie“. Bei einer Vergleichsumfrage vier Jahre zuvor hatten 68 Prozent noch keine Erfahrungen mit „Gras“ gemacht. Nach Kokain wird in der Umfrage des Gesundheitsamts nicht gefragt. Die einzige chemische Droge, um die es geht, ist Ecstasy. Nahezu unverändert blieb laut der Umfrage der Konsum dieser besonders in der Techno-Szene beliebten Tabletten: 95 Prozent der Potsdamer Jugendlichen wollen sie noch nie probiert haben, vor vier Jahren waren es 93 Prozent. Zudem ist auch der Prozentsatz jener Jugendlichen gesunken, die wöchentlich eine Ecstasy-Pille nehmen: Von 0,7 auf 0,1 Prozentpunkte.
Die Drogenexperten von „Chill Out“ sehen trotz der offenbar verhältnismäßig kleinen Zahl von Drogenkonsumenten unter Potsdams Jugendlichen Handlungsbedarf, die Konsumenten zu schützen. Auch deshalb gibt es eine neue Veranstaltungsreihe, die erstmals am späten Dienstagabend im Café „11Line“ in der Charlottenstraße stattfand. „Ecstasy: Checken, was wirklich drin ist!“ hieß das Thema, der Andrang blieb mit knapp 20 Besuchern überschaubar. Künftig soll jeden ersten Dienstag im Monat eine Inforunde stattfinden, sagt „Chill Out“-Leiter Schmolke. „Da es hier um illegale Sachen geht, kursieren viele Mythen.“
Doch Ansatzpunkt für Schmolke ist vor allem Qualität der Drogen auf dem Markt – sie werde immer schlechter und damit gefährlicher für die Konsumenten: Mit Zuckermasse und Kunststoffen versetztes Marihuana, Kokain oder Speed mit Chemie angereichert, giftiges Ecstasy. Solche unter der Hand gekauften Substanzen können lebensbedrohlich wirken. Abhilfe könnte ein „Drugchecking“-Programm bringen, sagt der „Chill Out“-Leiter und verweist auf Erfahrungen in Österreich oder in der Schweiz. Dort seien beispielsweise bei Techno-Partys ganz offiziell Sozialarbeiter und Chemiker unterwegs, bei denen Drogenkonsumenten zum Beispiel Ecstasy-Tabletten auf ihre Unbedenklichkeit hin überprüfen lassen können. Kritiker halten solch einem Modell entgegen, damit würde der Konsum von Drogen gefördert. Das glaubt Schmolke nicht, vielmehr werde so „aktiver Gesundheitsschutz“ betrieben. Ein ähnliches Modell sei auch für Brandenburg und Berlin vorstellbar, so Schmolke – „Chill Out“ sei bereits an einer Initiative für das Vorhaben beteiligt. Dem Bündnis gehörten auch andere Präventionsvereine an, ebenso die Bündnisgrünen und die Linke. Schmolke sagt: „Die Politik hat sich lange der Illusion hingegeben, Drogen generell verbieten zu können.“
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