Landeshauptstadt: Vollblut in der Flasche
Computer statt Handbetrieb, Beutel statt Glasflaschen: 50 Jahre gibt es das Potsdamer Blutspendezentrum
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Der Spender sitzt neben einer Glaswand. Seinen Arm steckt er durch ein Loch im Fenster. Auf der anderen Seite zapft ihm eine Krankenschwester mit weißem Häubchen Blut aus der Vene. Das fließt in eine Glasflasche. Vor 50 Jahren begann in Potsdam das Bezirksinstitut für Blutspende- und Transfusionsmedizin seine Arbeit in der Gutenbergstraße.
Mit dabei war damals Schwester Irmgard Tangnatz. Die Krankenschwester verbrachte im Institut ihr gesamtes Berufsleben. In der Spenderabteilung nahm sie Blut ab und war auch für die Ausgabe von Blutkonserven zuständig. 1992 ging die Bornstedterin in Rente. „Mit den Konserven musste man besonders vorsichtig sein“, sagte sie. Das Blut der Spender wurde Anfang der 60er Jahre in dünnwandigen Glasflaschen aufgefangen. Immer 400 Milliliter. Zerbrach die Flasche, war das kostbare Spenderblut verloren. Robustere Blutbeutel aus Plastik wurden erst viel später eingeführt.
Das Jubiläum am gestrigen Montag nutzten viele ehemalige Mitarbeiter, um sich das vor einem Jahr fertiggestellte neue Gebäude des Instituts für Transfusionsmedizin des Deutschen Roten Kreuzes in der Hebbelstraße anzuschauen. Extra deswegen war Renate Köbernick angereist. Die Krankenschwester hat von 1964 bis 1999 im Potsdamer Blutspendezentrum gearbeitet. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann in der Nähe von Kassel (Hessen). „Die Kanülen wurden noch wiederverwendet. Bei Blutabnahme haben wir die Flaschen damals die ganze Zeit von Hand geschüttelt, damit das Blut nicht gerinnt“, erinnerte sie sich. Heute dauert eine Vollblutspende zwar immer noch zehn Minuten, das Schütteln übernimmt aber mittlerweile ein Automat, der sich computergesteuert in der richtigen Geschwindigkeit dreht. Auch die Lagerung der Blutspenden war in den 60er Jahren noch schwierig. Die ersten Zusatzstoffe waren gerade erst entwickelt. Die Konserven hielten sich höchstens drei Wochen. Heute sind es bis zu sieben Wochen. Spender mussten deshalb kurzfristig gefunden werden. „Wenn im Krankenhaus eine Operation anstand, haben wir die passenden Spender aus der Kartei angerufen“, so Renate Köbernick.
Hans Hofmann, der ab 1969 fast 40 Jahre als Facharzt für Transfusionsmedizin in Potsdam arbeitete, war vom neuen Spendesaal begeistert. „Toll, wie sich alles verändert hat.“ Die Spenderplätze haben alle bequeme Sitze. Von jedem der 25 Plätze kann man aus dem Fenster oder auf einen der Fernseher schauen. Außerdem können sechs Tablet-Computer ausgeliehen und das drahtlose Netzwerk kostenfrei genutzt werden.
Unterhaltung ist wichtig, denn nicht jede Spende ist nach zehn Minuten erledigt. Eine Plasmaspende dauert beispielsweise etwa 45 Minuten. Dabei wird das flüssige Blutplasma von den Blutkörperchen in einer Zentrifuge getrennt. Diese bekommt der Spender mit einer Lösung wieder in die Vene zurück. Plasma dient als Grundstoff für viele Medikamente, unter anderem für Bluter und in der Krebstherapie. Damit kennt sich Joachim Venus aus. Er kommt seit Jahrzehnten regelmäßig zum Spenden. Mit Vollblut fing es an, heute spendet er Plasma. Wer etwas Gutes tun wolle, könne zwar auch Geld spenden. Aber das eigene Blut sei doch etwas besonderes, sagt er. Das sei es wert hin und wieder für eine knappe Stunde einen roten Gummiball zu kneten. Außerdem zeige das dem Spender, dass er fit und gesund ist. Denn nur etwa ein Drittel der Bevölkerung ist überhaupt zum Blutspenden geeignet. Davon gibt etwa jeder Zehnte Vollblut, Plasma oder Thromozyten ab. Die anderen zwei Drittel der Bevölkerung kommen aus Altersgründen oder wegen Vorerkrankungen nicht infrage. Gleichzeitig steigt der Bedarf nach Blutspenden für die Krebstherapie oder Operationen.
Technisch hat sich seit den Anfangsjahren viel verändert, sagt auch Institutsleiter Roland Karl: „Nur eins ist gleich geblieben: Blut kann man nach wie vor nicht künstlich herstellen.“ Spender werden auch in Zukunft gebraucht.
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