Landeshauptstadt: Voller Dachschaden
Beim Hallendach am Luftschiffhafen wurde gepfuscht. Nun wird der Schuldige gesucht
Stand:
Ratlosigkeit machte sich am Mittwoch bei der Pressekonferenz von Stadtverwaltung und Luftschiffhafen GmbH in der MBS-Arena breit. Mit direktem Blick auf die orangefarbene Fassade der Leichtathletikhalle ging es um Potsdams neuen Bauskandal: den Pfusch bei der Sanierung der Leichtathletikhalle. Viel wissen die heute Verantwortlichen wie Potsdams Sportbeigeordnete Iris Jana Magdowski noch nicht darüber, aber eines steht fest: Bei der Sanierung für elf Millionen Euro im Jahr 2000 wurde ein neues Dach einfach auf das alte aus den 1970er-Jahren draufgebaut. „So etwas sollte es eigentlich nicht geben“, meinte auch Potsdams Bauaufsichtsschef Markus Beck. Das habe er noch nicht erlebt.
Zu den genauen Ursachen konnten weder Magdowski noch Beck oder Luftschiffhafen-Chef Andreas Klemund etwas sagen. Sie alle vereint, dass sie zum Zeitpunkt der Sanierung entweder noch nicht ihre heutigen Posten innehatten oder noch gar nicht in Potsdam waren. „Ich bin auf dem Gebiet ein völliger Laie“, sagte Magdowski auf dem hohen Barstuhl sitzend im Café in der MBS-Arena. Auch Klemund neben ihr zeigte sich überfragt. Seine Luftschiffhafen GmbH hat die Halle als Betreiber erst 2009 – lange nach der Sanierung – von der Stadt übernommen. „Wir müssen erstmal alle Unterlagen suchen“, sagte er.
Am Dienstagabend hatte die Bauaufsicht kurzfristig die sofortige Sperrung sowohl der Leichtathletik- als auch der Schwimmhalle verfügt. Dass es Probleme mit der in Ostdeutschland einzigartigen 9000 Quadratmeter großen Dachkonstruktion geben könnte, hatte sich schon länger angebahnt. Im vergangenen Jahr wurde die Prüfung der Statik in Auftrag gegeben. Seitdem stehen dort Schilder, auf denen darauf hingewiesen wird, dass die Hallen ab einer Schneedecke von 15 Zentimetern geräumt werden müssen.
Die Prüfungen sind zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber seit 2006 von der Bauministerkonferenz empfohlen. Zuvor war im bayerischen Bad Reichenhall eine Eishalle unter der Last des Schnees auf dem Dach zusammengebrochen. 15 Menschen starben, fast alle waren Kinder. Weder die Leichtathletik- noch die Schwimmhalle standen bei der Prüfung in Potsdam oben auf der Liste. „Wir sind nicht davon ausgegangen, dass bei einer neu sanierten Halle solche Schäden vorliegen“, sagte Magdowski. Im vergangenen Jahr habe sich die Sichtweise geändert, nachdem Risse an den Pylonen erkennbar wurden, über die die Tragseile der Dachaufhängung 60 Meter weit gespannt sind.
Im November dann der erste Schock: Der Gutachter teilte mit, dass die Standsicherheit auch schon bei geringeren Schneemengen gefährdet sein könnte. Seitdem sei die Dachkonstruktion an weiteren Stellen geöffnet worden. Dabei wurde nun Gewissheit, was zuvor nur gemunkelt wurde: Unter dem neuen Dach verbirgt sich das alte. Und die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen.
Fakt ist bereits jetzt, dass es nicht nur an den Pylonen Risse gibt, sondern auch dass das Dach viel schwerer ist als in der ursprünglichen Konstruktion vorgesehen. Die Traglast ist erhöht, hieß es. Auch ohne Schneefall könne die Sicherheit bis auf Weiteres nicht gewährleistet werden. „Dinge wie in Bad Reichenhall wollen wir hier nicht erleben“, so Beck.
Wie es zu dem Fiasko kommen konnte, ist einstweilen unklar. In der Verwaltung wird seit Dienstag hektisch nach den alten Unterlagen gesucht. „Es gibt da Protokolle. Die müssen wir noch finden“, so Beck. Bei der Hallenrenovierung gemäß der Ausschreibung sollte der Beton der tragenden Pylonen saniert und auch das alte Dach abgetragen werden. „So steht es im Amtsblatt“, sagte Klemund. Weitere Planungsunterlagen, der genaue Auftrag und das Protokoll der Bauabnahme sind jedoch noch nicht aufgetaucht.
Auftraggeber war seinerzeit das städtische Hochbauamt, das es in dieser Form nicht mehr gibt. Während der Sanierung der Hallen wurde es von Norbert John geleitet, der heute Technischer Geschäftsführer des Landesbetriebs für Liegenschaften und Bauen ist. Am Mittwoch war er für die PNN nicht erreichbar.
Während das städtische Rechtsamt nun Regressansprüche prüft, muss sich die Verwaltung auch mit der Zukunft beschäftigen. Und da wartet eine Reihe von Problemen: Zunächst müssen Ausweichmöglichkeiten für die etwa 500 von der Sperrung betroffenen Potsdamer Sportler gefunden werden. „Uns ist bewusst, dass es Einschränkungen geben wird“, sagte Iris Jana Magdowski. Dann müssen die Schäden beseitigt werden. „Dass saniert werden muss, ist klar“, sagte Klemund. Da der Umfang der Schäden jedoch noch nicht feststeht, ist auch offen, wann eine erneute Sanierung beginnen kann, wie lange sie dauert und wie viel sie kostet. Ebenso unklar ist, ob die Hallen möglicherweise während einer Sanierung genutzt werden können. „So weit sind wir noch nicht“, sagte Beck. Außerdem gehe es darum, derartige Fehler künftig zu vermeiden, so Magdowski. „Wir müssen daraus unsere Lehren ziehen“, sagte die Beigeordnete. In Zukunft müsse es bereits im Bauprozess bessere Kontrollen geben.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: