
© Manfred Thomas
Von Erhart Hohenstein: Voller Erinnerungen und voller Leben
Im Belvedere wurde 20 Jahre nach der Erstauflage wieder das legendäre Pfingstbergfest gefeiert
Stand:
Weniger als Ehrengast, sondern als quicklebendiger Moderator trat Matthias Platzeck bei der Eröffnung des 20. Pfingstbergfestes auf. Zwei Jahrzehnte nach dem ersten, als Ausdruck des Veränderungswillens am Ende der DDR-Zeit inzwischen legendär gewordenen Festes auf Potsdams höchster Anhöhe, warf er sich auf der Bühne mit seinem Weggefährten Wieland Eschenburg die Bälle zu.
Da war wieder die Rede von dem frechen grünen Plakat Bob Bahras, das satirisch den Grad des Verfalls und zu befürchtende Neubauvarianten darstellte und damit Städtebau, Denkmal- und Umweltpolitik der DDR aufs Korn nahm. Die Mitbegründerin der Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung (Argus), Carola Stabe, hatte die seinerzeit notwendige Druckgenehmigung besorgt, indem sie die zuständige Sachbearbeiterin mit einem der sehr gefragten „Gorbi“-Sticker „bestach“.
Ein Nachdruck des Plakats wurde auf dem Fest angeboten. Und auch die Gulaschkanone, die 1989 von einem Armeefahrzeug auf den Berg gezogen wurde, fand eine Nachfolgerin. Freilich kam sie diesmal nicht von dem Perestroika-freundlichen sowjetischen Stadtkommandanten, der sie damals auf Bitten von Juliane Nitsche, der Kreissekretärin des Kulturbundes, zur Verfügung gestellt hatte. Dies hatte zuvor die DDR-Volksarmee abgelehnt, weil sie nicht zum Erfolg eines politisch anrüchigen Festes beitragen wollte.
Doch ein Erfolg wurde es trotzdem. Eschenburg für die AG Pfingstberg und Stabe für Argus hatten als Organisatoren mit 500 Gästen gerechnet, es kamen aber fast 3000. Das Fest wurde zu einer Demonstration eines „freien, bunten und fröhlichen Lebens“, wie es sich die Menschen wünschten, erinnerte Platzeck. Nur die 20 schweigsamen Herren in blanken Lederjacken und neuen Jeans aus dem Konsument-Warenhaus fanden keine Freude daran. Schön, dass Eschenburg und Ministerpräsident Platzeck viele alte Mitstreiter wie Bob und Hannelore Bahra, den Architekten Christian Wendland oder Sanssoucis früheren Schlösserdirektor Hans-Joachim Giersberg begrüßen konnten. Er hatte als erster seine Zuversicht geäußert, das Belvedere werde wieder aufgebaut und dafür tatkräftig Sponsoren gewonnen.
Ohne die acht Millionen Euro, die die Großunternehmer Werner Otto und Hermann-Hinrich Reemtsma über ihre Stiftungen spendeten, wäre das 13 Millionen Euro teure Vorhaben nicht bewältigt worden. Die Schirmherrin des Fördervereins Pfingstberg, Ex-Finanzministerin Wilma Simon, brachte aus Hamburg Grüße des vor seinem 100. Geburtstag stehenden Werner Otto mit, der zweite Großsponsor war durch Henrike Reemtsma-Neidel vertreten. „Das zeichnet den Pfingstberg aus: Mit Belvedere und Pomona-Tempel ist er nicht allein ein verloren geglaubtes und doch wieder gewonnenes Denkmal des Welterbes, sondern auch ein Ort der Begegnung und stets voller Leben“, sagte die Tochter Hermann-Hinrich Reemtsmas den PNN.
Der heute von der Denkmalpflegerin Eva Riks geleitete Förderverein setzte bei der dreitägigen Jubiläumsveranstaltung auf den Volksfestcharakter, der schon die Erstauflage charakterisierte. Trotz Schafskälte und gelegentlichem Regen lockte er an die 2000 Potsdamer auf den Pfingstberg. Besonders starken Zuspruch fand am Samstagnachmittag das bunte Fest mit seinem Familienprogramm, an dem beispielsweise das Kindertheater Pampelmuse und das Lari Fari Caspertheater mitwirkten. Auf dem „Marktplatz“ waren die Stände der 15 Bürgervereine von der Garnisonkirchengesellschaft bis zum Naturschutzbund NABU dicht umlagert. Viel Anklang fand die Ausstellung „Zeitensprünge“, in der die Wiedergewinnung und Sanierung des Pfingstberg-Ensembles, des Stadtkanals, des Holländischen Viertels und der Innenstadt dargestellt wird. Gestern klang das Jubiläumsfest mit einem gut besuchten Jazzfrühschoppen aus.
Erhart Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: