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Durchgestartet. 400-Meter-Mann Thomas Schneider wurde von seinem Trainer Jochen Wiedemann zum WM-Staffelläufer geformt.

© Michael Helbig

Von Michael Meyer: Vom Fußball zur Viertelmeile

Thomas Schneider fand spät zum Laufen und will jetzt mit Deutschlands Viermal-400-Meter-Staffel bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin antreten

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Thomas Schneider – mit diesen Namen wusste die internationale 400-Meter-Konkurrenz zu Jahresbeginn noch nicht viel anzufangen. Jetzt ist der 20-Jährige des SC Potsdam drauf und dran, bei den Weltmeisterschaften im Berliner Olympiastadion erneut international seine Visitenkarte abzugeben. Schneider wurde vom Deutschen Leichtathletik- Verband für die deutsche Viermal- 400-Meter-Staffel nominiert. Ob er am Samstag/Sonntag nächster Woche wirklich die Stadionrunde für den Gastgeber laufen wird, steht derzeit noch nicht ganz fest; Bundestrainer Thomas Kremer testet derzeit im Trainingslager Kienbaum seine optimale Besetzung für das Quartett, für das außerdem Kamghe Gaba von der LG Eintracht Frankfurt, Martin Grothkopp vom Dresdner SC und Jonas Plass von der LG asics Wendelstein sowie Ruwen Faller und Eric Krüger vom SC Magdeburg berufen wurden.

In der aktuellen deutschen Jahresbestenliste stehen alle genannten Läufer vor dem für Potsdam startenden Lausitzer. Und auch beim letzten Testlauf des Staffel-Sextetts am vergangenen Wochenende im Rahmen der Deutschen Jugend-Meisterschaften in Rhede lagen die anderen fünf Kandidaten vor ihm. Trotz dieser Nachteile sieht Thomas Schneider Einsatz-Chancen für sich in Berlin. „Die anderen kommen schneller als ich aus den Startblöcken, mir liegt dafür der fliegende Start besser“, meint der Viertelmeiler mit der persönlichen Bestzeit von 46,35 und Jahresbestzeit von 46,60 Sekunden. Anschaulich demonstrierte dies der Schwarzschopf bei den Team-Europameisterschaften im Juni im portugiesischen Leiria, wo er der deutschen Staffel als Schlussläufer mit einem beherzten Rennen Platz zwei hinter Großbritannien und dem deutschen Nationalteam endgültig den EM-Titel bescherte. Gaba gehörte damals ebenfalls zum Quartett. „Ich denke, dieser Staffel-Auftritt hat mir wirklich sehr geholfen“, glaubt Thomas Schneider, der normalerweise täglich zwischen Forst – wo er bei seinen Eltern wohnt – und Cottbus pendelt, wo er bei Jochen Wiedemann trainiert und in diesem Jahr an der Sportschule das Abitur ablegte.

Vor drei Jahren war Schneider noch Fußballer mit Leib und Seele, ehe er als Austauschschüler im USA-Bundesstaat Wisconsin das Laufen für sich entdeckte. „Ich sollte mich an der Highschool in Milwaukee für Baseball oder Leichtathletik entscheiden – und vom Baseball hatte ich gar keine Ahnung“, erinnert er sich. Er begann zu rennen und fand so viel Spaß daran, dass er sich nach seiner Rückkehr ganz der Mittelstrecke verschrieb und bei Jochen Wiedemann vorstellig wurde.

Der 54-jährige Übungsleiter, der im vergangenen Jahr mit seiner gesamten Trainingsgruppe wegen Querelen in seinem bisherigen Verein vom LC Cottbus zum SC Potsdam gewechselt war, hält seinen Schützling für ein Talent, dass er auf das Ziel Olympische Spiele 2012 aufbauen will. In diesem Jahr waren für Schneider eigentlich „nur“ die U23-Europameisterschaften im Juli in Kaunas vorgesehen. „Die Weltmeisterschaften in Berlin hatten wir zu Jahresanfang noch gar nicht auf den Radar“, sagt Wiedemann. „Aber mit seinen beherzten Läufen bei den Hallen-Europameisterschaften und vor allem bei den Team-EM geriet er ins Fadenkreuz der Staffel-Verantwortlichen.“ Er habe bisher immer seine Leistungen gezeigt, wenn er gebraucht werde, sagt der Coach über seinen Schützling. „Thomas ist in der Staffel besser als als Einzelläufer. Im Kurzsprintbereich hat er noch Reserven, aber auf den letzten 200 Metern ist er einer der Schnellsten in Deutschland.“

Daher hofft Thomas Schneider, der im kommenden Frühjahr in Ansbach ein Fernstudium „Internationales Management“ beginnen möchte, nun auch auf eine Chance im Berliner Olympiastadion, in dem seine Eltern auf den Rängen sitzen werden. Dort habe die deutsche Staffel vor allem ein Ziel, erläutert der Läufer: „Wir wollen versuchen, in das Finale zu kommen – und dann muss man weitersehen.“

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