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Homepage: Vom Glück der Nachbarschaft

Ein Projekt der Fachhochschule Potsdam will am Schlaatz junge und alte Bewohner zusammenbringen

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Sie setzt sich auf einen der im Halbkreis aufgestellten, leeren Stühle. Dann nimmt sie einen aufklappbaren, blauen Plastikhocker aus ihrer kleinen Handtasche und schiebt ihn sich unter die Füße. Gemeinsam mit ihrer ehemaligen Kollegin Regina Rillert (73) hat sich die 89-Jährige Eveline Holler unlängst auf den Weg in das Haus der Generationen und Kulturen im Schlaatz gemacht, um an der Informationsveranstaltung zu der Initiative Generationen- Tandem teilzunehmen.

Ins Leben gerufen wurde das Vorhaben von der Fachhochschule Potsdam im Rahmen des Projektes „Gut leben im (hohen) Alter“. Ziel der Idee ist es, einen Austausch zwischen verschiedenen Generationen herzustellen, von dem beide Seiten profitieren können. Ältere Menschen sollen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld gut leben können und nicht alleine in ihrer Wohnung sitzen.

Ob Kaffeetrinken mit selbstgemachtem Apfelkuchen, gemeinsame Spaziergänge oder gemeinsam besuchte kulturelle Veranstaltungen – die beiden Tandem-Partner sollen individuell entscheiden, was sie zusammen machen wollen. Vielleicht möchte die „Tandem-Seniorin“ auch einmal auf die Kinder aufpassen und die „Tandem-Juniorin“ geht dafür einkaufen.

Die ersten Treffen werden in Begleitung eines Projektmitarbeiters stattfinden, erklärt FH-Professorin Jutta M. Bott vom Fachbereich Sozialwesen. „Der Schritt, sich einzugestehen, dass man etwas vermisst und sich einsam fühlt, ist der Schwerste“, sagt die Professorin. Dabei könne ein neuer Kontakt eine enorme Bereicherung für jedes Leben sein. Viele Interessenten sind an diesem Nachmittag am Schlaatz allerdings nicht erschienen. Es sei schwer, die Menschen zu aktivieren, erklärt Jutta M. Bott. Die junge Mitarbeiterin im Projekt, Santje Winkler, die sich unterdessen nach Evelines Wohlbefinden erkundigt hatte, wird aufgrund des geringen Interesses ihre PowerPoint-Präsentation an diesem Nachmittag nicht zeigen. Wichtiger wäre es, über die Ursachen für die mangelnde Resonanz des Projektes zu diskutieren. Gerrit Friedrich von der Senioren-AG im Generationen-Haus gibt daraufhin zu bedenken, dass der beste Weg, die Menschen zu erreichen, Mundpropaganda sei.

Die beiden Damen sitzen immer noch auf ihren Holzstühlen und warten. Sei erzählen von ihrem Alltag. Punkt acht Uhr klingele jeden Morgen bei Eveline zu Hause das Telefon. „Dann weiß ich immer schon, dass nun Regina anruft um zu fragen, ob ich aufgewacht bin“, erzählt Eveline und schaut zu ihrer Freundin hinüber. Regina ist eine große Hilfe für Eveline, die schon einige Krankheiten durchgestanden hat. Wie viele andere Rentner lebt sie alleine in einer Wohnung am Schlaatz. „Sind wir jetzt eigentlich die Einzigen, die gekommen sind?“, fragt sie mit besorgtem Gesicht. Auf ihrem Schoß hat sie den Roman „Vom Glück nur ein Schatten“ von Uwe-Karsten Heye abgelegt. Dann erzählt die alte Dame von vielen Bekannten, die gar keine Lust mehr auf Fremde hätten. Sie allerdings könne das nicht verstehen. „Neulich sind bei mir im Haus wieder neue Studenten eingezogen, denen habe ich mich gleich vorgestellt und nehme nun auch Pakete für sie an.“

Ein Beispiel der natürlichen Art der Kontaktaufnahme also. Aber warum wird diese gut gemeinte Hilfe meist kaum angenommen? Als eine Ursache für die fehlende Nachfrage nach dem Projekt sieht die Professorin Bott eine mögliche „soziale Überfütterung“ des Schlaatzes, nachdem dieser nach der Wende zum sozialen Brennpunkt wurde. Ein Übermaß an sozialen Angeboten könnte das mangelnde Interesse erklären. Die Initiatoren überlegen nun, das Projekt in einen anderen Stadtteil zu verlegen. Was schade für Eveline und Regina wäre, die die Generationen-Tandems gerne selbst kennen lernen würden. Friederike Haiser

Infos im Internet:

www.nachbarschaft-und-altern.de

Friederike Haiser

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